Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
gehen?«
»Nun, in gar keine. Ich verstehe mich mehr als neutrale Beobachterin. Mich interessiert, wie sich die Atmosphäre in einer Stadt wie Güstrin verändert, wenn das AKW vor Ort vom Netz gegangen ist.« Katja nahm ihr Smartphone zur Hand, das sie auch als Diktiergerät benutzte. »Darf ich unser Gespräch aufzeichnen?«
»Von mir aus.«
»Danke.«
»Ich nehme dann auch mal lieber Platz.« Bernd sicherte sich den zweiten Stuhl. »Die Damen sagen mir dann einfach, wann ich knipsen soll, okay?«
Saalfeld ignorierte ihn geflissentlich. Ihr Blick blieb auf Katja geheftet. »Finden Sie das gut? Keine Position zu beziehen?«
»Ich kann mir denken, dass die Gräben zwischen Befürwortern und Gegnern der Kernenergie hier in Güstrin bestimmtbesonders tief sind«, sagte Katja ruhig. »Meine eigene Meinung ist dabei doch komplett unerheblich. Über die Pros und Kontras von Atomkraft haben schlaue Köpfe schon regalweise Bücher geschrieben. Was könnte ich da noch an neuen Argumenten ins Feld führen?«
»Tiefe Gräben.« Die Fältchen um Saalfelds Mund herum traten deutlich zutage, als sie verächtlich die Lippen schürzte. »Davon könnte ich Ihnen ein Lied singen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich habe jemanden in der eigenen Verwandtschaft, der in dieser Anlage arbeitet.« Saalfeld schüttelte den Kopf. »Der mich immer wieder mit halbgaren Argumenten davon zu überzeugen versucht, Kernenergie wäre sicher und sauber. Die ideale Brückentechnologie. Wir sind in Deutschland und nicht in Russland oder in Japan. All diese Propaganda.«
Katja witterte eine Chance auf eine interessante Gegenüberstellung von widerstreitenden Meinungen für ihren Artikel. Das, was sie sonst noch unbedingt aus Saalfeld herauskitzeln wollte und worüber sie bei Bernd kein Wort verloren hatte, konnte noch einen Augenblick warten. »Und wer ist diese Person?«
»Ich hoffe doch sehr, es ist nicht Ihr Mann«, sagte Bernd.
Saalfeld lachte bitter auf. »Glauben Sie, ich könnte mit so einem Mann verheiratet sein? Und er mit mir? Nein, es ist mein Schwager. Der Bruder meines Exmanns.«
»Hätten Sie auch einen Namen für mich?«, fragte Katja.
»Johnsen. Horst Johnsen«, sagte Saalfeld. »Reden Sie ruhig mit ihm. Er ist Schichtleiter. Ein guter Papagei für die PR-Leute seines Stromkonzerns. Plappert brav alles nach, was sie ihm vorsetzen. Wenn man ihm so zuhört, könnte man fast glauben, es hätte in Güstrin nie auch nur einen einzigen Störfall gegeben.«
»Und wie viele gab es wirklich?«
»Offiziell keinen. Aber mehr als dreihundert meldepflichtige Ereignisse.«
»Was nun aber wirklich nicht dasselbe ist wie ein Störfall«, merkte Bernd an. »Für einen Störfall muss es schon etwas ernster werden. So in die Richtung eines partiellen Ausfalls der Sicherheitssysteme.«
Katja sah ihn überrascht an.
»Was denn?«, sagte er mit Unschuldsmiene. »Ich habe nur meine Hausaufgaben gemacht und mich im Vorfeld ein bisschen darüber informiert, worauf wir hier so stoßen werden.«
Saalfeld lächelte kühl. »Sie werden sich hervorragend mit meinem Schwager verstehen. Das kann ich Ihnen jetzt schon versprechen.«
»Das spielt keine Rolle.« Katja legte viel Nachdruck in ihre Stimme. »Unsere persönlichen Ansichten werden den Grundtenor des Artikels nicht verfälschen. Aber falls es Sie beruhigt: Ich teile Ihren Standpunkt wahrscheinlich mehr, als Sie denken.«
»Das ist gut. Das freut mich.« Saalfeld nickte versöhnlich. »Dann werden Sie den beiden vielleicht auch ein paar Widerworte geben, wenn sie Ihnen weismachen wollen, der Septemberbrand wäre nur ein Märchen.«
»Der Septemberbrand?«
Saalfeld blinzelte ungläubig. »Sie haben nicht davon gehört?«
»Es könnte schlicht eine Frage des Alters sein, wenn man in diesem Zusammenhang ein paar Wissenslücken hat«, warf sich Bernd für Katja in die Bresche. »Sie war damals noch ein Kind.«
Katja runzelte die Stirn. »Moment. Meinen Sie die Sache mit dem angeblichen Brand auf dem AKW-Gelände? In den Achtzigern?«
»Angeblich …« Saalfeld seufzte. »Da ist nichts Angebliches, außer man glaubt denen, die die Angelegenheit vertuschen wollen. Ich habe mit sehr vielen Augenzeugen geredet, die wissen, was sie gesehen haben. Eine merkwürdiggefärbte Flammensäule. Gelb-bläulich, aber ohne Rauch. Auf dem Werksgelände. Und kurz danach Angestellte in Vollanzügen. Ich muss Ihnen hoffentlich nicht erklären, was das bedeutet. Hinterher haben sie Experten geholt, um einen Grund
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