Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
für das Feuer zu finden. Ich zitiere: Eine ungewöhnliche Ansammlung von Radon, das auf natürlichem Weg aus dem Erdreich ausgetreten ist, hat sich in einer Bodensenke angesammelt und spontan entzündet. Ist das nicht praktisch? Direkt neben einem Kernkraftwerk tritt unerwartet ein radioaktives Edelgas aus, das die Messung von erhöhten Strahlenwerten erklärt. Und als Jahre später auf Druck von Organisationen wie meiner eine unabhängige Untersuchungskommission einberufen wird, sind die Einsatzprotokolle der Feuerwehr weg. Bei einem Brand in einem Archiv vernichtet. Angeblich …«
Katja versuchte zurückzurechnen, ob ihr Onkel im September 1986 bereits in Güstrin gearbeitet hatte. Doch wozu? Ein Regelfanatiker wie er hätte niemals Stillschweigen über einen derartigen Vorfall bewahrt. Das wäre ein Verbrechen gewesen. »Aber wenn das wirklich vertuscht worden wäre, dann hätten doch über Jahrzehnte hinweg Hunderte von Leuten absolut dichthalten müssen, oder nicht?«
»Und? Trauen Sie das denen etwa nicht zu?«
Katja schwieg. Ihr war nicht entgangen, dass Saalfeld fast durchgängig von »denen« sprach. Das war die Ausdrucksweise von Verschwörungstheoretikern. Normalerweise fand sie das sogar amüsant, solange es um Illuminaten und Freimaurer und Tempelritter ging, die die wahren Strippenzieher hinter den Kulissen der Hochfinanz waren. Doch Saalfeld redete nicht von solchen grauen Eminenzen. Sie redete von Leuten wie Katjas Onkel.
»Sie haben sicher schon von dem Brand vorgestern Nacht gehört.« Katja kam endlich auf das Thema zu sprechen, das sie am brennendsten interessierte. »Der Mann, der dabei ums Leben gekommen ist, hat im AKW gearbeitet, und er – «
»Und er war mit Ihnen verwandt, nicht wahr?«, fiel ihr Saalfeld ins Wort. »Jakobs … ich hätte gleich darauf kommen sollen. Natürlich habe ich davon gehört. Meine Stellvertreterin wohnt zwei Häuser weiter. Wer war er? Ihr Vater?«
»Mein Onkel.«
»Mein herzlichstes Beileid.« Aus Saalfelds Mund klangen die Worte nur deshalb nicht nach einer Floskel, weil sie mit einem gehörigen Maß Sarkasmus ausgesprochen wurden.
Eine Hand fasste nach Katjas Schultern. »Lass es gut sein.«
Sie dachte nicht daran. »Wenn Ihre Stellvertreterin so hervorragende Spitzelarbeit leistet, hat Sie Ihnen dann auch mitgeteilt, was jemand vor sein Haus geschmiert hat?«
Saalfeld erwiderte Katjas hitzigen Blick ungerührt.
»Restrisiko Tod. Das stand da.« Katja merkte, dass sie immer lauter wurde, doch das störte sie nicht. Im Gegenteil: Es hatte etwas Befreiendes. »Und wissen Sie, wonach das für mich aussieht? Dass jemand aus Ihrem Verein auf einen persönlichen Kreuzzug gegangen ist. Ohne Rücksicht auf Verluste.« Sie sprang von ihrem Stuhl hoch und lächelte grimmig, als sie feststellte, dass Saalfeld vor ihr zurückweichen wollte, aber vom Schreibtisch daran gehindert wurde. »Was weiß ich, warum hier jemand so frustriert war. Vielleicht weil es ihm nicht genügte, dass das Kraftwerk jetzt abgeschaltet ist. Vielleicht wollte er noch mehr Rache. Und vielleicht musste mein Onkel deshalb sterben.«
»Manche Leute würden sagen, dass Ihr Onkel nur bekommen hat, was er verdient«, erwiderte Saalfeld ruhig. »Manche Leute würden sagen, er war selbst ein Mörder.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Katja und ignorierte Bernds flehenden Blick, den er immer aufsetzte, wenn er der Ansicht war, sie möge eine Sache doch bitte auf sich beruhen lassen. »Mein Onkel hat niemanden umgebracht.«
»Natürlich hat er das.« Kalter Zorn funkelte in Saalfelds Augen. »Wie jeder, der in einem Kernkraftwerk arbeitet.« Sie zeigte auf das Luftbild mit den Dutzenden von Reißzwecken.»Das ist der Beweis. Das können Sie in Ihrem Artikel ruhig so schreiben. Und jetzt schalten Sie Ihr Gerät aus und sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen. Dieses Interview ist vorbei.«
13
»Ich war hinten im Garten.« Erika Saalfeld öffnete die Tür erst nach dem sechsten oder siebten Klingeln. Von den gelben Handschuhen, die sie sich unter die Achsel geklemmt hatte, regnete es kleine Krumen Blumenerde auf ihre Sandalen.
»Möhrs, Kriminalpolizei.« Er zeigte ihr seinen Ausweis. »Dürfte ich reinkommen?«
Die Sehnen an ihrem dürren Hals spannten sich. »Worum geht es?«
»Um Frieder Jakobs.«
»Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.« Sie trat einen Schritt zurück und schloss die Tür so weit, dass Möhrs wieder sein Spiegelbild im dunklen Glas sehen konnte, wie schon zuvor, als er
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