Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Autoschlüssel glitt ihm vor Schreck aus den Fingern, landete klirrend auf dem Asphalt. Er bückte sich reflexhaft, klaubte den Schlüssel auf und sah sich um. Was sollte das? War ihm eines der Mädchen nachgelaufen, weil er im Club etwas vergessen hatte? Aber hätte es dann nicht seinen Namen gerufen?
Ein zweiter Pfiff, von irgendwo neben dem Häuschen für die Einkaufswagen am Eingang des Centers. Kein Zweifel. Die Pfiffe galten ihm. Stand da nicht wer, halb geduckt hinter dem Häuschen, ein verschwommener Fleck durch das gewellte, halbdurchsichtige Plastik der Seitenwände? Wollte ihn da jemand ausrauben, nachts, an diesem einsamen Ort, an dem es keine Zeugen gab? Oder war das nur eine Nutte, die hier mutterseelenallein auf Freier wartete?
»Du wirst brennen, du Hund!«
Jemand packte ihn am Knöchel, zerrte an seinem Bein. Er verlor das Gleichgewicht, schrie auf, wollte sich am Dach seines Wagens festhalten. Zu spät. Noch ein heftiger Ruck. Er landete hart auf der Seite, sein Kopf prallte auf den Boden. Seine Sicht verschwamm, und er verlor die Orientierung. Mehr brauchte es nicht. Wer immer da unter seinem Wagen auf ihn gelauert hatte, kam blitzschnell aus seinem Versteck hervorgekrochen und stürzte sich auf ihn. Glühend heiße Hände legten sich um seinen Hals.
28
Der Mann, der am Morgen des Ostersamstags den Speiseraum des »Hirschhofs« betrat, war einer der hagersten, die Katja je gesehen hatte. Schmale Schultern, schmale Hüften, und wenn er mehr als sechzig Kilo auf die Waage brachte, wäre sie ehrlich überrascht gewesen. Er hatte eine braune Naturkrause, die seinen Kopf unverhältnismäßig groß erscheinen ließ, und irgendetwas an seinen feinen Gesichtszügen kam ihr vage bekannt vor. Er war nicht generell ein hässlicher Kerl, und seine Kleidung hatte eine stilsichere Lässigkeit: ein offenes kurzärmeliges Hemd in Beige mit einem roten Che-Guevara-T-Shirt darunter, an den richtigen Stellen abgenutzte Retrojeans und teuer aussehende Flipflops mit geflochtenen Lederriemchen.
Ungefähr eine Sekunde, nachdem ihr bewusst geworden war, wie unhöflich es war, einen neuen Gast derart anzustarren, bemerkte sie, dass er zielstrebig den Raum in Richtung ihres Tisches durchquerte.
»Darf ich Sie kurz stören?« Seine angenehme Radiosprecherstimme wies den interessanten Einschlag eines Dialekts auf, den Katja grob als süddeutsch verortete – was für eine Hamburgerin wie sie nichts anderes als »von irgendwo südlich der Elbe« hieß. »Sie müssen Katja Jakobs sein.«
»Ja, bin ich.« Sie wischte sich den Mund mit ihrer Serviette ab. »Kennen wir uns?«
»Nein. Sie kennen meine Mutter.«
Raschelnd senkte sich Bernds Zeitung. »Geht’s noch mysteriöser?«
»Entschuldigung.« Der Mann hielt Katja die Hand hin. »Thilo Saalfeld.«
»O Gott«, murmelte Bernd.
»Hallo«, sagte Katja. Ja, Saalfelds Gesicht hatte tatsächlich große Ähnlichkeiten mit dem seiner Mutter. Allerdingsmit dem entscheidenden Unterschied, dass seine Miene offen und freundlich war. Seine Hand waren überraschend kühl, obwohl draußen die Sonne alles daransetzte, Temperaturrekorde für die Osterzeit zu brechen. »Was kann ich für Sie tun?«
»Nichts. Ich wollte mich bloß für meine Mutter entschuldigen.« Ein zögerliches Lächeln stahl sich auf seine Lippen. »Sie hat sich ziemlich danebenbenommen, wenn ich sie richtig verstanden habe.«
»Iwo!« Bernd faltete die Zeitung zusammen. »Ihre teure Frau Mama war die Freundlichkeit in Person.«
»Tja, was soll ich sagen?« Saalfelds Lächeln wurde selbstbewusster, als er Bernds mürrischem Blick ungerührt standhielt. » Sie konnte Sie noch viel weniger leiden. Sie hat Sie im Verdacht, für die Atomlobby zu arbeiten.«
»Charmant.« Bernd rührte gelangweilt seinen Kaffee um. »Natürlich arbeite ich für die Atomlobby. Aber nur halbtags. Den Rest der Zeit quäle ich Hundewelpen zu Tode.«
»Wir haben uns auch nicht gerade von unserer Schokoladenseite gezeigt«, gestand Katja. »Dieses ganze Gespräch ist etwas aus der Spur geraten, und das ist nicht nur die Schuld Ihrer Mutter.« Sie deutete auf einen der freien Stühle. »Setzen Sie sich doch. In der Kanne ist auch noch ein Schluck Kaffee, glaube ich.«
»Danke.« Saalfeld deponierte eine schicke Umhängetasche im Outdoor-Look unter dem Tisch und nahm Platz. »Aber keinen Kaffee. Ich bin mehr für Tee zu haben.«
»Sollen wir einen Tee für Sie bestellen?«
»Nein, vielen Dank.« Er winkte mit beiden Händen ab.
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