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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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nichts nützen. Warum hatte ihm der Stein nicht gereicht? Ob es Margaret gutging? Ob sie genug zu essen und zu trinken bekam? Ruth weigerte sich, sich auszumalen, dass man ihrer Großmutter ein Leid antat. Auch wenn Davida Oshohas Enkel offensichtlich der Überzeugung war, die Saldens wären für Blut und Leid verantwortlich – das durften sie einfach nicht tun!
    »Lieber Gott«, flehte Ruth. »Beschütze das Leben meiner Großmutter. Ich gebe auch die Farm auf, wenn es sein muss. Ich heirate Nath Miller oder gehe in die Stadt, aber bitte, lieber Gott, lass nicht zu, dass ihr etwas geschieht.«

Siebzehntes Kapitel
    E s war schon spät, fast Abend, als Henry Kramer sich endlich in der Pension meldete.
    Ruth hatte einige Zeit auf dem Bett gelegen, doch sie hatte keinen erholsamen Schlaf gefunden. Immer wieder war sie aus Albträumen hochgeschreckt. Träume, in denen Häuser brannten, Babys schrien und Diamanten im Mondlicht glitzerten. Einmal waren auch Horatio und ein schwarzer Pick-up in ihren Traumgeschichten aufgetaucht. Als sie schließlich aufgewacht war, hatte Ruth sich noch zerschlagener gefühlt als zuvor. Sie war duschen gegangen, hatte eine Kleinigkeit gegessen, viel zu viel Cola und Kaffee getrunken. Dann war sie in ihrem Zimmer hin- und hergelaufen, hatte stundenlang am Fenster gestanden und in der unsinnigen Hoffnung, dort ihre Großmutter zu sehen, auf die Straße hinabgeblickt.
    Am liebsten wäre sie durch Lüderitz gelaufen, hätte in jedes Haus, in jeden Schuppen, jede Werkstatt und jede Hütte geschaut, doch sie hatte Henry Kramer versprochen, die Pension nicht zu verlassen. Sie wusste, dass dies ihrer eigenen Sicherheit diente, und doch trieb alles in ihr hinaus.
    Wieder und wieder ließ sie den Vortag Revue passieren. Nein, sie hatte Horatio nicht gesagt, was sie vorhatte, doch er war dabei gewesen, als der Junge den Weg zu seinem Dorf beschrieben hatte. Unterwegs hatte sie sich allein geglaubt. Nicht ein einziges Mal war in ihrem Rückspiegel ein anderer Wagen aufgetaucht. Nun, wahrscheinlich hatten Horatio und seine Mithelfer ihr einfach ein paar Stunden Vorsprung gelassen. Warum hatte sie in der Nacht nur so tief geschlafen? Wieso war sie nicht wach geworden, als man ihre Großmutter entführte? Warum hatte Margaret nicht geschrien, gerufen, Lärm geschlagen?
    Kurz kam ihr der Gedanke, dass die Nama in der Wüste womöglich mit Horatio unter einer Decke steckten und ihr und Margaret etwas in die Getränke gemischt hatten, doch sie verwarf diesen Einfall sofort wieder. Mama Elo und Mama Isa hatten ihr immer wieder eingebläut, sich zu fragen, wem diese oder jene Situation von Nutzen sein könnte. »Egal, was du tust oder um was dich jemand bittet, frage dich immer, wem es nützt«, hatten sie gesagt.
    Das Verschwinden der weißen Frau nützte den Wüstennama nicht. Sie waren mit ihrem Leben zufrieden, und Ruth hatte nicht den Eindruck, dass man sie mit Geld oder Häusern in der Stadt hätte locken können. Wieso also war die Entführung so still und unbemerkt vor sich gegangen? Hatte man ihre Großmutter betäubt? Mit Äther vielleicht? Und vor allem, wo war Margaret Salden jetzt?
    Als Henry Kramer endlich an ihrer Zimmertür klopfte, schluchzte Ruth vor Erleichterung auf. Sie flog zur Tür, flog in seine Arme, hielt ihn ganz fest und barg ihr Gesicht an seiner Brust.
    »Was hast du in Erfahrung gebracht?«, fragte sie ihn.
    Er löste ihre Arme vorsichtig von seinem Körper und schüttelte den Kopf. »Leider nicht viel, das uns weiterhilft.«
    »Kein Lebenszeichen von meiner Großmutter? Kein Hinweis? Keine Spur?«
    »Nein, Liebes. Die Ranger haben nichts Auffälliges bemerkt, keinen Wagen, keine verdächtigen Personen. Auch den Diamantenhändlern ist nichts aufgefallen. Ich habe sogar noch einmal den Werkschutz angerufen, ob sich jemand unerlaubt im Diamantensperrgebiet aufgehalten hat, aber auch da: Fehlanzeige.«
    »Und nun?« Ruth ließ die Arme hängen. Alle Hoffnung war versiegt. »Was tun wir jetzt?«
    Henry drückte Ruth auf das Bett, setzte sich neben sie, hielt ihre Hand. »Ich habe doch etwas in Erfahrung gebracht, das womöglich hilfreich ist. Horatio ist den Behörden kein Unbekannter. Er hat beste Verbindungen zur SWAPO in Südafrika. In Windhoek hat es vor einigen Wochen einen Aufstand gegeben, bei dem bedauerlicherweise elf Menschen getötet wurden. Alles Schwarze.«
    »Ich weiß«, flüsterte Ruth. »Ich war dabei. Ganz zufällig, auf dem Rückweg von der Farmersbank.«
    »Ich

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