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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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genannt wurde.
    Henry lächelte, als er ihren verständnislosen Blick sah. »Das Auge isst mit, meine Liebe.«
    »Ja, schon«, gab Ruth zu, »aber diese Lammkeule sieht aus, als stünde sie noch mitten auf der Weide. Ich hoffe, sie ist schon geschlachtet.« Mit der Gabel zupfte sie die Blüten vom Fleisch und drapierte sie unordentlich auf dem Tellerrand.
    »Das kannst du alles mitessen«, teilte ihr Henry Kramer mit und spießte genüsslich ein Veilchen auf, steckte es zwischen die Zähne und kaute darauf herum.
    »Ich weiß, dass man die Kräuter hier mitessen kann, aber gerade eben steht mir der Sinn nicht nach einer Lektion in ›Schulgarten zum Essen‹.« Ruth war unruhig. Sie hatte das Gefühl, sinnlos ihre Zeit zu verplempern. Zeit, in der sie besser ihre Großmutter suchte. Eine Dekoration aus essbaren Blumen war ihr im Augenblick so gleichgültig wie ein Strickmusterbogen.
    Langsam füllte sich das Lokal. Henry grüßte nach rechts und nach links, und wie es sich gehörte, lächelte auch Ruth die fremden Frauen mit den kunstvoll hochtoupierten Haaren und den geschminkten Katzenaugen an, die so hübsch zur Einrichtung des Lokals passten. Gleichzeitig schlenkerte sie ungeduldig mit den Füßen.
    »Was ist denn los mit dir, meine Liebe?«, fragte Henry, als Ruth bereits zum zweiten Mal sein Schienbein getroffen hatte. »Du solltest wirklich noch ein paar Bissen essen. Wer weiß, wann du das nächste Mal so etwas Gutes vorgesetzt bekommst.«
    »Ich kann einfach nicht hier sitzen und mich verwöhnen lassen, während meine Großmutter da draußen womöglich sonst was durchmacht«, sagte Ruth leise.
    Dieses Mal fiel Henrys Lächeln ein wenig schmaler aus, und Ruth fühlte sich sofort ein wenig undankbar. Es war immerhin nicht seine Schuld, dass der Tag beinahe vergangen war, ohne dass sie ihrer Großmutter einen Schritt näher gekommen war.
    Ruth griff sich ins Haar, zupfte ein paar Strähnen zurecht. »Entschuldige bitte meine Gereiztheit. Ich kann einfach nicht gutgelaunt und entspannt sein, ohne zu wissen, was mit Margaret passiert.«
    Henry nickte. »Das verstehe ich doch, meine Liebste. Und vor mir brauchst du dich gewiss nicht zu verstellen. Ich frage mich nur, ob deine Großmutter das ›Feuer der Wüste‹ bei sich hatte, als sie entführt wurde. Hast du in der Hütte danach gesucht?«
    Ruth schüttelte den Kopf. »Ich bin sofort aufgebrochen, als ich erfuhr, dass sie verschwunden ist. Aber ich glaube nicht, dass sie den Diamanten einfach in ihrer Hütte unter dem Kissen versteckt hat. Er wird anderswo sein.«
    »Und kannst du dir denken, wo?«
    »Vielleicht hat sie ihn wirklich bei sich.«
    »Ein guter Gedanke.«
    Ruth schob ihren Nachtisch von sich, und auch Henry aß nur ein paar Löffel voll. »Ich habe heute einfach keinen Appetit. Mir geht es auch nicht anders als dir.« Er seufzte, sah kurz auf seine Uhr und winkte dann dem Kellner. »Wir sollten jetzt gehen.«
    Aus seiner Brieftasche holte Henry einen großen Schein und steckte ihn unauffällig unter die Serviette des kleinen Silbertabletts. »Ich muss noch einmal ganz kurz zur Trust-Verwaltung. Ich brauche einen anderen Wagen. An meinem ist irgendetwas nicht in Ordnung. Auf dem Hinweg habe ich so ein merkwürdiges Geräusch gehört.«
    »Dann rufe ich mir ein Taxi«, schlug Ruth vor. Sie spürte wieder die lähmende Müdigkeit, die sie ergriffen hatte, als sie in Lüderitz angekommen war, wusste aber gleichzeitig, dass eine tiefe Unruhe sie nicht schlafen lassen würde. Sie überlegte, ob sie noch einmal in das Viertel der Schwarzen gehen und sich dort umschauen sollte. Vielleicht hatte dort jemand etwas gesehen oder gehört. Irgendetwas musste sie doch tun können!
    Henry sah sie prüfend an. »Es ist doch alles in Ordnung mit dir?«
    »Aber ja, natürlich. Es war nur ein anstrengender Tag, und ich bin müde.«
    »Ich fahre dich selbstverständlich in die Pension«, sagte Henry so laut, dass die Umsitzenden zu ihnen herübersahen. »Du solltest jetzt wirklich nicht allein unterwegs sein. Versprich mir, dass du in der Pension bleibst. Hörst du?« Er zog sie an sich, nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie vor aller Augen.
    »Du hast recht«, sagte Ruth, nachdem er sie wieder losgelassen hatte. »Ich werde in der Pension bleiben. Ich kann allein ohnehin nichts ausrichten, auch wenn das Warten mich schier umbringt.«
    Sie verließen das Lokal und fuhren schweigend zum Parkplatz des Firmengeländes, wo Henry seinen Wagen tauschen

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