Das Feuer der Wüste
Geister hausten, die sich für die Verschwendung des kostbaren Wassers bitter rächen würden.
Auf einer Leine zwischen zwei Akazienbäumen hingen bereits die ersten Laken, allerdings nicht schneeweiß, wie Ruth dies von Mama Elo und Mama Isa kannte – diese hielten nichts vom Aberglauben ihrer Stammesgenossinnen und hatten in den letzten Jahrzehnten die technischen Errungenschaften der Farm zu schätzen gelernt –, sondern von graugelber Färbung. Denn immer wieder trieb Wüstensand heran und setzte sich auf die frisch gewaschenen Wäschestücke.
Ganz in der Nähe der Frauen tollten die jüngeren Kinder über den Hof. Sie schlugen mit Stöcken Steine vor sich her und riefen einander Kommandos zu. Die älteren Kinder betrachteten ihre Geschwister mit neidischen Blicken. Sie hatten keine Zeit zu spielen, sondern mussten sich für die Schule fertigmachen. Wenn sie den Schulbus nach Gobabis noch bekommen wollten, war Eile angesagt, denn der fuhr in einer Viertelstunde vor dem Tor der Farm ab, und bis dorthin war es gut eine halbe Meile zu laufen.
»Wo ist Santo?«, wandte sich Ruth an eine der hochgewachsenen Namafrauen.
»Er ist bei den Maschinen, Miss«, erwiderte sie. »Er wollte nach der Bewässerung sehen.«
»Danke, Thala.« Ruth lächelte. »Und vergiss nicht, dass wir auch Waschmaschinen im Haus haben, die ihr gerne nutzen könnt.«
Die junge Frau winkte lachend ab – wie jedes Mal, wenn Ruth ihr das Angebot machte: »Danke, aber so ist es mir lieber; mit Maschinen kann ich mich nicht unterhalten.«
Auch die anderen Namafrauen lachten. Ruth winkte ihnen zum Abschied zu und machte sich auf den Weg zur Maschinenhalle, um dort ihren Vorarbeiter zu suchen.
Santo war ein furchtloser und würdevoller Nama, der zu anderen Zeiten wohl einmal Häuptling seines Stammes geworden wäre. Ruths Vater hatte ihn vor mehr als zehn Jahren als Vorarbeiter auf Salden’s Hill eingestellt, und Ruth konnte sich keinen besseren vorstellen. Santo hatte ohne Zweifel ein besonderes Händchen für Maschinen. Was auch immer kaputtging, setzte Santo wieder instand. Weil er sich sogar an die Waschmaschine heranwagte, behaupteten einige der anderen Namas, er sei ein Schamane, der sich vor nichts zu fürchten brauche, denn er besänftige sogar die technischen Dämonen.
Offensichtlich galt es heute, einen weiteren bösen Geist zu bekämpfen, denn Santo hatte sich weit unter die geöffnete Motorhaube des Traktors gebeugt, als Ruth die Maschinenhalle betrat.
»Santo!«, rief Ruth.
Sofort tauchte der Kopf des Mannes unter der Motorhaube hervor. »Ja, Bass?«
Dass Santo Ruth als Bass, also Boss, ansprach und damit die übliche Anrede der Eingeborenen für ihre weißen Arbeitgeber wählte, freute sie jedes Mal, denn es bedeutete für sie, anerkannt zu sein. »Ich denke, wir sollten heute die Tränken reinigen«, sagte sie. »Außerdem habe ich gestern gesehen, dass drüben bei Greenhill einige Pfähle locker sind. Repariert den Zaun, und seht nach, ob noch alle Schafe da sind. Ihr solltet auch prüfen, ob noch genug Futter in den Silos und ausreichend Benzin in den Tanks ist. Und wenn ihr damit fertig seid, baut ihr für die Schur morgen zwei Gatter mit einem schmalen Zwischenstück auf.«
Santo legte den Schraubenschlüssel zur Seite, wischte sich die Hände an einem Tuch ab, warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Das ist Arbeit für zwei Tage, Bass.«
Ruth erwiderte sein Lachen. »Ich weiß. Aber ich bin sicher, dass ihr das alles schafft. Morgen Früh müsst ihr als Erstes die Herde hertreiben. Schafft sie in das große Gatter, damit wir gleich nach dem Frühstück mit der Arbeit beginnen können. Die Schafscherer kommen bereits heute Abend. Und dass ihr mir nicht wieder so viel mit ihnen trinkt wie im letzten Jahr!«
Wieder lachte Santo, dass es durch die Halle schallte. »Keine Sorge, Bass. Wir machen alles so, wie Sie es gewöhnt sind.«
Ruth nickte, dann nahm sie ein rotes Kopftuch aus der Brusttasche ihrer Latzjeans und schlang es sich wie eine Namafrau um den Kopf.
»Miss?«
»Ja?«
»Warum tragen Sie immer das Tuch? Sie haben so wundervolles Haar. Es ist doch schade, dass Sie es verstecken.«
Ruth spürte, dass sie rot wurde. Sie griff unter das Tuch, spürte ihr widerspenstiges rotes Haar, ein Erbe ihres Vaters, und schüttelte verärgert den Kopf. Immer noch machten sie Komplimente von Männern verlegen, als sei sie ein Backfisch. »Kümmere dich um die Arbeit, Santo. Sie macht sich nicht von allein.«
Sie
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