Das Feuer der Wüste
schließlich gut, von Jahr zu Jahr besser. Hatten ihre Schafe nicht erst im Frühjahr wieder einen Preis gewonnen?
So sehr sich Ruth auch bemühte, sich selbst Mut zuzusprechen, so sehr nagte es doch in ihrem Inneren. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie stand auf und öffnete das Fenster, um die kühle Nachtluft hineinzulassen. Ruth gähnte herzhaft. Zeit, ins Bett zu gehen, dachte sie. Morgen wird sich mit Sicherheit alles aufklären.
Am nächsten Morgen erwachte Ruth völlig gerädert. Sie hatte nicht zur Ruhe gefunden und nur wenige Stunden geschlafen, und es war eine Qual aufzustehen. Dennoch zwang sie sich aus dem Bett, öffnete das Fenster und atmete ein paar Mal kräftig ein und aus. Schon jetzt, so früh am Morgen, war der Himmel von gläsernem Blau, nur ein paar Schönwetterwolken trieben dahin. Die Sonne schimmerte durch die Blätter der Akazien und malte schwarze Schatten an die Hauswand. Das Windrand drehte sich gleichmäßig, irgendwo in der Nähe krähte Mama Elos Hahn, und in der Ferne erkannte Ruth eine ihrer Herden.
Klette, die Border-Collie-Hündin, war ebenfalls schon wach und kratzte draußen an der Tür. Ruth öffnete ihr bereitwillig. »Guten Morgen, meine Kleine. Gleich gibt’s was zu futtern. Nur einen Augenblick noch!«
Ruth streichelte Klette und stieg dann rasch unter die Dusche. Wenige Minuten später kam sie in Shirt und Latzhose in die Küche, wo Mama Elo und Mama Isa bereits auf sie warteten. Die beiden Namafrauen gehörten für Ruth zur Farm wie die Akazien, die Kameldorne und die Kudubüsche; ohne sie hier zu leben war undenkbar. Ruth gab beiden Frauen einen knallenden Kuss auf die Wange, dann setzte sie sich an den großen hölzernen Küchentisch und verschlang hungrig die große Portion Mieliepap, die Mama Elo ihr mit einem Augenzwinkern reichte. »Na, Meisie, schon ausgeschlafen?«, fragte sie.
»Du wirst gestern viel getanzt haben auf dem Farmerball und müde Füße haben«, setzte Mama Isa hinzu und sah Ruth mitfühlend an.
»Ach was!« Die junge Frau winkte ab und bestrich sich ein Toast mit Butter und Kaktusfeigengelee. »Ich habe nicht getanzt. Nur rumgesessen habe ich und mich gelangweilt.«
»Warum hast du nicht getanzt, hm? Bist du dir etwa zu fein?« Mama Isa wirkte verärgert.
Ruth seufzte. »Ich habe nicht getanzt, weil ich nicht tanzen kann .« Sie schluckte, griff nach dem nächsten Toast und fuhr leiser fort: »Außerdem will auch keiner wirklich mit mir tanzen. Dazu bin ich nicht schlank und nicht blond genug. Da ist es doch kein Wunder, dass mir diese Feste allesamt ein Gräuel sind.«
»Unfug«, widersprach Mama Isa. »Du bist nicht dick, sondern hast lediglich einen starken Knochenbau, jawohl. Die Männer meines Volkes würden sich alle zehn Finger nach einer Frau wie dir lecken.«
»Kann sein«, erwiderte Ruth. »Aber ich bin nun mal keine Namafrau. Und die weißen Männer mögen lieber Frauen wie Corinne.«
Mama Elo sah Mama Isa an, dann lächelten beide und zuckten mit den Schultern. Wie oft hatten sie Ruths Klage schon gehört! »Du wirst schon noch finden, was du verdienst«, versprach Mama Isa.
Ruth lachte. »Um Gottes willen, nur das nicht.« Dann stand sie auf, räumte das gebrauchte Geschirr in die Spüle, rief nach Klette und zog ihre Stiefel an. »Ich bin draußen, sage den Arbeitern, was sie zu tun haben, und danach reite ich die Zäune ab.« Sie zögerte. Am liebsten hätte sie sofort mit ihrer Mutter gesprochen, doch Rose schlief noch, und die Arbeit auf der Farm tat sich nicht von allein.
»Ist noch etwas, Meisie?«, fragte Mama Elo. »Du siehst aus, als würde dich etwas bedrücken.«
Ruth fühlte sich ertappt und sah zur Seite. »Nichts weiter. Ich muss nur mit meiner Mutter sprechen. Vielleicht heute Mittag.« Sie gab Klette einen Wink, sodass diese freudig schwanzwedelnd aufsprang, und verließ mit ihr zusammen das Haus.
Wenige Minuten später rief Ruth den Frauen der schwarzen Farmarbeiter ein fröhliches Guten Morgen zu. Sie saßen vor ihren Steinhäusern in der Nähe des Herrenhauses; die meisten von ihnen hatten bunte Tücher um den Kopf gewickelt und trugen bunt bedruckte Kattunkleider. Wie so oft rührten sie in den verbeulten Waschtöpfen, die auf kleinen Feuern vor sich hin qualmten, denn auch wenn Ruth ihnen schon mehr als einmal angeboten hatte, ihre Wäsche in einer der Waschmaschinen zu waschen, weigerten sich die Namafrauen, diese zu benutzen. Offensichtlich nahmen sie an, dass in den rumpelnden Maschinen böse
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