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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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trat auf ihn zu. »Guten Tag. Sind Sie Sam Eswobe?«
    »Ja, das bin ich, Miss. Sam. So heiße ich.« Er schob den speckigen Hut mit einem Finger ein Stück höher und betrachtete sie. Dann winkte er sie zu sich heran. »Kommen Sie näher, Miss. Meine Augen sind schlecht. Ich sehe nur, was direkt vor mir steht.« Er kicherte. »Und auch das nur in Umrissen.«
    »Oh, das tut mir leid.«
    »Das muss Ihnen nicht leidtun, Miss. Es hat auch Vorteile, nicht alles sehen zu müssen. Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir.«
    Er schlug mit der Hand neben sich auf die Bank, und Ruth setzte sich.
    »Der Stimme nach zu urteilen sind Sie eine Weiße. Sie sprechen Afrikaans wie die Leute oben in Gobabis. Sie sind noch jung und wahrscheinlich sehr hübsch, aber das wissen Sie noch nicht.«
    »Ja, das ist richtig. Ich komme aus Gobabis, aber hübsch bin ich nicht.«
    »Warum nicht?«, fragte der alte Mann.
    »Warum ich nicht hübsch bin?«, fragte Ruth verblüfft zurück.
    »Ja.«
    »Sie tun gerade so, als ob das meine Entscheidung wäre. Ich bin ein bisschen stämmig wie mein Vater. Meine Haare sind rot und kraus, und auf meiner Nase sitzen Sommersprossen wie Fliegen auf einer Klatsche.«
    Der Mann lachte. »Sage ich doch: Hübsch sind Sie. Und Schönheit, mein Kind, ist unabhängig von einem dicken Po und wilden Haaren. Sie müssen sich nur selbst schön finden, dann finden die anderen das auch.«
    Ruth seufzte. »Wenn es so einfach wäre.«
    »Es ist so einfach, glauben Sie mir. Sie merken, man braucht nicht unbedingt die Augen, um zu sehen.«
    Ruth lachte verlegen. »Sind Sie schon lange hier in Keetmanshoop?«, fragte sie.
    »Mein ganzes Leben lang. Ich war schon hier, als die alte Missionskirche gebaut wurde. Ich war hier, als der große Regen sie weggespült hat, und ich war hier, als die neue gebaut wurde. Aber dazwischen habe ich in Kolmanskop gelebt und gearbeitet.« Seine Stimme klang stolz, als er das sagte.
    »Einer von den Ersten, wie?«
    »Sie sagen es, Miss.«
    »Dann wissen Sie bestimmt viel über Diamanten und darüber, wo man sie finden kann, oder?«
    Der alte Sam richtete sich auf. »Was wollen Sie wissen? Sind Sie eine Diamantenjägerin?« Er wirkte plötzlich feindselig.
    Ruth spürte, dass sie zu schnell einen Schritt zu weit gegangen war. Deshalb fragte sie vorsichtig weiter: »Nein, ich bin keine Jägerin, sondern Farmerin. Aber ich wüsste gern, welcher der größte Diamant der Welt ist.«
    »Der ›Cullinan‹«, erwiderte der Alte, als wäre er in der Schule. Er ließ sich zurück gegen die Banklehne sinken. »Er wurde 1908 in der Nähe von Pretoria gefunden. Es heißt, er wäre über ein Pfund schwer gewesen, sogar mehr als sechshundert Gramm soll er gewogen haben.«
    »Was ist mit ihm geschehen?«
    »Er wurde nach Europa gebracht und dort in über hundert Steine aufgespalten. Der größte Stein heißt ›Der große Stern von Afrika‹. Die neun größten der Steine sind heute britische Kronjuwelen.«
    »Oh«, stieß Ruth erstaunt aus. »Das wusste ich nicht. Und hier? Wann wurden hier die ersten Diamanten gefunden?«
    Der alte Mann kicherte. Er legte seine Hand auf Ruths Knie und beugte sich zu ihr herüber. »Offiziell heißt es 1908. Aber das ist ein Witz. Ein Witz der Weißen, die glauben, erst mit ihnen hätte das Leben hier begonnen.«
    »Das verstehe ich nicht«, gestand Ruth.
    »Kleine weiße Lady, da gibt es nichts zu verstehen. Die Hereros, Namas und die anderen Stämme des Landes waren und sind nicht so dumm, wie die Weißen sagen. Vor langer, langer Zeit, lange vor Ihnen und vor mir, fanden die Namas einen Diamanten, in dem das heilige Feuer gefangen war.«
    Ruth hielt den Atem an. »Erzählen Sie mir von diesem Stein.«
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Die Namas bauten ihm einen Schrein und beteten zu ihm. Er war für sie das Zeichen, das Sinnbild der heiligen Ahnen. Dann kamen die Weißen, und die Namas versteckten ihr Heiligtum. Nur sehr wenige wussten, wo der Stein gerade war. Er blieb nie lange an einem Ort, wie auch die Namas nie mehr lange an einem Ort bleiben konnten.«
    »Und wo ist er jetzt?«
    Der Alte zuckte mit den Schultern, lehnte sich wieder zurück und schob seinen Hut zurecht. »Das weiß niemand.« Er kratzte sich mit der Hand am Kinn, dann sprach er weiter. »Wahrscheinlich ist es das Beste so. Der Stein ist verschwunden. Die Namas müssen sich auf ihre eigene Kraft besinnen. Verstehen Sie?«
    »Nein«, sagte Ruth wahrheitsgemäß.
    »Das Feuer muss in ihnen leuchten,

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