Das Feuer der Wüste
ein Teil der Namas, ist der größte Schatz des Stammes. In diesem Diamant ist das heilige Feuer gefangen, dort kann es nie verlöschen. Der Stein ist Heiligtum und Gott zugleich. In seinem Glanz zeigt sich der Ahnherr. Ewig hat das ›Feuer der Wüste‹, gehütet vom Häuptling der Namas, die Schwarzen vor Unglück bewahrt. Bis zu dem Tag, an dem die Weißen kamen. Sie raubten das ›Feuer der Wüste‹, nahmen den Schwarzen das Land und die Frauen und versklavten sie. Der Glaube der Namas besagt, dass der Verlust des Diamanten die Schuld am Leid der Namas trägt. Und dass dieses Leid erst endet, wenn das ›Feuer der Wüste‹ zurück beim Häuptling ist. Verstehst du, Meisie?« Walther sah sie eindringlich an.
Ruth schüttelte den Kopf. »Was wollen Sie damit sagen? Dass das ›Feuer der Wüste‹ heilig ist und die Seele des Volkes symbolisiert, weiß ich mittlerweile.«
»Noch immer suchen die Namas nach dem Stein. Immer wieder aufs Neue werden junge, starke Männer losgeschickt, um ihn zu finden.«
»Und Sie meinen, dass auch Horatio nach ihm sucht? Dass er mich nur benutzt, um an das ›Feuer der Wüste‹ zu kommen?«
Walther zuckte mit den Schultern. »Ich meine gar nichts. Der Junge hat gut gearbeitet, er hat ein ehrliches Gesicht. Und er ist gut zu Tieren. Ich wollte dich nur warnen. Von Farmer zu Farmerin.«
Ruth dankte ihm. Sie mochte Horatio, seine ungeschickte, aber bemühte Art, sein weißzahniges Lachen. Sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart, nicht zu dick, nicht zu dünn, sondern gerade richtig. Er gab ihr das Gefühl, so sein zu dürfen, wie sie war. Doch ihr war auch nicht verborgen geblieben, dass er sie manchmal nachdenklich ansah, als frage er sich, inwieweit sie ihm von Nutzen sein könnte. In diesen Augenblicken befielen sie Zweifel.
Ihre Hand fuhr zu dem Lederband, an dem Mama Elos Stein befestigt war. Als sie den Stein berührte und in die verlöschenden Flammen im Kamin blickte, erschienen im Dunkel Bilder. Eine junge Frau stand auf einem grünen Hügel, es war derselbe wie bei ihrer ersten Vision. Die Frau schaute zum Horizont, schützte die Augen mit der Hand vor der Sonne. Ein Reiter tauchte auf, kam schnell näher, und die junge Frau griff sich vor Aufregung an die Kehle, trippelte auf der Stelle hin und her, bis sie es nicht mehr aushielt und dem Reiter entgegenrannte. »Wolf!«, rief sie dabei. »Wolf!«
Und er rief, das Pferd noch mehr antreibend: »Meine Rose, du meine schönste aller Rosen!«
Sie umarmten sich, küssten sich. Immer wieder nahm die junge Frau das Gesicht des Mannes zwischen ihre Hände und sah ihn an. Immer wieder fuhren ihre Finger über seine Schultern, als könne sie nicht glauben, dass er wieder da war.
»Du zerdrückst mich ja«, sagte der Mann und machte sich behutsam los. »Jetzt wird alles gut, meine Rose. Jetzt beginnt unser Leben.« Und er holte aus der Satteltasche eine Urkunde mit Band und Siegel und reichte sie der jungen Frau.
Sie nahm, las, riss die Augen auf und rief: »Salden’s Hill! Du hast es wahr gemacht. Unsere Farm, unsere eigene Farm.« Dann fiel sie dem Mann um den Hals.
»Ja, Salden’s Hill. Aber das ist noch nicht alles, meine Liebe …«
»Ruth? Ruth! Ist alles in Ordnung?«
»Wie?« Ruth schüttelte sich, als wäre sie aus einem Traum erwacht. Sie betrachtete die Härchen auf ihrem Unterarm, die sich aufgestellt hatten. »Es ist nichts, ich muss wohl kurz eingenickt sein.«
Walther stand vor ihr, hatte eine Hand auf ihre Schulter gelegt. »Geh schlafen, Meisie. Morgen ist auch noch ein Tag.«
Am nächsten Morgen reparierte Walther den Dodge, füllte die Wasserkanister auf und wünschte Ruth und Horatio eine gute Reise.
Die Pad war inzwischen wieder ohne Weiteres befahrbar, und so bogen Ruth und Horatio schon nach zwei Stunden auf die B1 ab, die sich zu ihrer Freude ebenfalls in gutem Zustand befand.
»Na, Muskelkater von gestern?«, fragte Ruth, die bisher sehr wortkarg gewesen war. Den ganzen Morgen hatte sie über Walthers Worte nachgedacht, hatte jedes Gespräch mit Horatio noch einmal in Gedanken Revue passieren lassen. Ruth war keine Frau, die gut mit Ungewissheiten leben konnte. Sie musste unbedingt herausfinden, woran sie mit Horatio war.
»Es geht. Man kann sich daran gewöhnen. An die Arbeit, meine ich.« Horatio sah entspannt aus dem Fenster. Er trug ein T-Shirt, das Tom ihm geschenkt hatte, weil sein weißes Hemd so verschmutzt gewesen war.
Dann bremste Ruth plötzlich den Wagen, fuhr an den
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