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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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Ruth beeindruckt von den vielen Büchern. Auch auf Salden’s Hill gab es zwar einen Bücherschrank, aber Ruth hatte sich nie für Romane interessiert. Wenn sie einmal las, dann Bücher über Schaf- oder Rinderzucht. Alles andere war in ihren Augen Zeitverschwendung gewesen, eine Beschäftigung für Faulpelze. Hier aber schüchterten sie die vollen Regale ein wenig ein. Vielleicht hätte sie doch mehr lesen sollen, dann würde sie sich neben Horatio auch nicht so unwissend fühlen. Unwissend und, ja, auch ein wenig dumm. Ruth unterdrückte einen Seufzer.
    »Wir müssen planvoll vorgehen«, flüsterte Horatio. »Ich habe keine Ahnung, wann mein Schwindel auffliegt. Aber ich denke, es wäre besser, wenn wir dann schon weit fort wären.«
    »Warum tun Sie das alles?«, fragte Ruth.
    »Später«, erwiderte Horatio.
    Er verschwand zwischen den Regalen und kam kurz darauf mit zwei Aktenordnern zurück. »Hier, das ist die Chronik von Lüderitz. Und das hier ist die Chronik der Deutschen Diamantengesellschaft.«
    Er schob ihr die Stadtchronik zu, und wenige Minuten später war Ruth in die Lektüre vertieft:
    »Am 1. Mai des Jahres 1883 kaufte der 21-jährige Kaufmannsgehilfe Heinrich Vogelsang im Auftrag des Bremer Großkaufmanns Franz Adolf Eduard Lüderitz dem Häuptling der Nama, Josef Frederick, für 200 alte Gewehre und 100 englische Pfund – das entsprach 10 000 Mark – die Bucht von Angra Pequena sowie fünf Meilen des dazugehörigen Hinterlandes ab.
    Während Frederick davon ausging, dass es sich bei den fünf Meilen um die üblichen englischen Landmeilen von 1,61 Kilometern handelte, machte Lüderitz nach Vertragsabschluss klar, dass er die preußische Landmeile von 7,5 Meilen zugrunde legte. Der Namahäuptling fühlte sich betrogen, zudem nun klar wurde, dass er den größten Teil des Nama-Stammlandes verkauft hatte …«
    »Schluss jetzt!« Die Stimme des Wachmannes wurde nur zum Teil von den mit Papier gefüllten Regalen verschluckt. »Es ist Feierabend. Ich will nach Hause.«
    Alles in Ruth drängte danach, ihm gehörig die Meinung zu sagen, doch sie dachte an Horatios Worte und hielt den Mund. Das hier war eine Welt, die ihr fremd war, in der Gesetze herrschten, die sie nicht verstand.
    Horatio räumte die Sachen weg, dann verließen sie das Archiv. Sie hörten zwar, wie jemand hinter ihnen die Treppe herunterkam, kümmerten sich aber nicht darum.
    »Wer war das, und was wollten sie?« Der große schlanke Mann mit den kurzen weißen Haaren und den überraschend hellen Augen hatte sich fast unbemerkt ins Archiv geschlichen.
    Der Wachmann schrak zusammen. »Ich weiß es nicht, Bass. Sie standen auf der Liste.«
    Der Mann betrachtete den Schwarzen abfällig. »Zeig mir, wo sie sich eingetragen haben.«
    »Sehr wohl, Bass.« Der schwarze Wachmann beeilte sich, die Liste zu holen, und händigte sie seinem Chef aus.
    Der strich sich über den feinen Leinenanzug, während er die Einträge des Tages durchging. »Ruth Salden«, murmelte er. »Ruth Maria Salden. Na endlich. Auf dich habe ich schon lange gewartet.« Er unterbrach sich und wandte sich an seinen Untergebenen: »Was haben sie gelesen, die Frau und der Kaffer? Welche Sachen haben sie aus den Regalen geholt, welche Notizen angefertigt, wonach gefragt?«
    Der Wachmann zuckte bei der beleidigenden Bezeichnung für einen Schwarzen ein wenig zusammen. »Ich weiß es nicht, Bass, habe nicht darauf geachtet.«
    »Kein Wunder. So schwarz du bist, so dumm bist du auch. Verschwinde!«
    »Sehr wohl, Bass.«
    Der Wachmann packte seine Brotblechbüchse ein und trollte sich, während sein Chef aufmerksam die Regale entlangwanderte. »Aha«, sagte er einmal und zog eine Akte heraus, die nicht wie die anderen in Reih und Glied stand. »Die Chronik von Lüderitz .« Er zog den Band heraus, blätterte ein wenig darin herum und stellte ihn zurück ins Regal.
    »Wachmann!«, brüllte er so laut, dass eine Scheibe leise klirrte.
    »Jawohl, Bass.«
    Der Wachmann hatte sich umgezogen und stand nun in einer abgetragenen Stoffhose und einem blauen Hemd vor ihm.
    »Haben die gesagt, ob sie morgen wiederkommen?«
    Der Wachmann schüttelte den Kopf. »Gesagt haben sie nichts, aber ich denke, sie waren noch nicht fertig mit dem, was sie tun wollten. Sie waren mitten in der Arbeit, als ich ihnen gesagt habe, dass jetzt Feierabend ist. Stimmt etwas nicht, Bass?«
    »Kümmer du dich um deinen Dreck. Und wenn sie morgen kommen, dann achte darauf, welche Akten sie lesen. Wenn du es dir

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