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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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stöhnte auf, als sie die engen Riemchen schloss. Dann blickte sie erneut in den Spiegel, diesmal weitaus zufriedener. Nur eines störte noch das Bild der glamourösen jungen Frau: das Lederband, an dem der Feuerstein zwischen ihren Brüsten hing.
    Nimm es niemals ab, hörst du. Es bewahrt dich vor dem Bösen, hörte sie Mama Elos Stimme, und doch glitten Ruths Hände zum Hals und lösten das Band. Im gleichen Augenblick war es Ruth, als fahre ein Kältestoß durch ihren Körper. Sie fror plötzlich so, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen, und an ihren Unterarmen hatten sich alle Härchen aufgestellt. Das ist die Aufregung, die hohe Erwartung, versuchte sie, sich selbst zu beruhigen. Immerhin hatte ich noch nie eine Einladung zu einem romantischen Abendessen. Doch dann hörte sie ein Wimmern, als ob ein Kind allein in einem dunklen Raum sei und sich fürchtete. Schnell stopfte sie die Halskette in den leeren Schuhkarton und schob diesen unter das Bett. Im gleichen Moment verschwand das Wimmern, die Kälte ließ nach.
    Ruth schüttelte noch einmal ihr Haar, dann verließ sie die Pension, als wolle sie vor einem Unheil fliehen. Sie eilte die Straße entlang, bis sie zu schwitzen begann. Erst hier, drei Ecken entfernt von der Pension, hielt sie inne. Das Café lag ganz in der Nähe, und Ruth zwang sich, den Rest des Weges langsam zu gehen.
    Ruth sah Henry Kramer schon von Weitem. Er wartete offensichtlich auf sie und ging, die Hände in den Hosentaschen seines leichten Sommeranzuges, ein paar Schritte die Straße hinauf und wieder hinab. Ruth blieb an der Ecke stehen und verbarg sich hinter einem Baum, um ihn zu beobachten. Sie sah, wie er sich alle Augenblicke nach allen Seiten umsah, dann einen Blick auf die Uhr warf, ein Dutzend Schritte nach rechts ging, dann wieder die Straße hinauf- und hinabspähte, einen weiteren Blick auf die Uhr richtete, seufzte und ein Dutzend Schritte in die andere Richtung ging, ohne seine Ungeduld zu verbergen.
    Ruth war gerührt. Noch nie hatte jemand so ungeduldig auf sie gewartet – vielleicht auf ihre Rinder, wenn sie zu spät zu einer Auktion eintraf, vielleicht auf die Lämmer ihrer Karakulschafe, aber noch nie auf sie.
    Sie verließ ihren Platz hinter dem Baum und schlenderte in Richtung des Cafés, als hätte sie alle Zeit der Welt und wäre es gewohnt, Männer auf sich warten zu lassen.
    »Da sind Sie ja endlich«, wurde sie von Henry Kramer begrüßt.
    Ruth runzelte die Stirn.
    Er lachte auf. »Oh nein, das war kein Vorwurf! Ich konnte es nur kaum erwarten, Sie zu sehen. Lassen Sie sich anschauen!«
    Wieder fühlte Ruth sich beinahe nackt unter seinem Blick. Sie musste an sich halten, um die Arme nicht vor der Brust zu verschränken. Lieber Gott, betete sie im Stillen, lass mich wie einen Schwan ausschauen. Nur dieses eine Mal.
    »Sie sehen wundervoll aus«, sagte Henry Kramer.
    Ruth sah ihn an, suchte in seinem Blick das, was am Nachmittag in Horatios Blick geschrieben stand. Eine stille Form der Bewunderung. Doch da war nichts. »Sie sehen ganz und gar wundervoll aus«, tönte es stattdessen aus seinem Mund, »wie die Meerjungfrau aus dem Märchen.«
    »Danke.«
    »Kommen Sie, wir fahren mit meinem Wagen.« Er nahm sie beim Arm und führte sie zu einem Auto mit offenem Verdeck. Ruth kannte die Marke nicht, aber sie vermutete, dass das Auto sehr teuer war. Überall blitzte Chrom, die Armaturen waren aus glänzendem Holz, die Sitze aus weichem Leder.
    »Bitte sehr.« Henry Kramer öffnete Ruth galant die Tür. Zwei junge weiße Mädchen sahen ihnen mit offenem Mund zu und brachen in Kichern aus, als Henry Kramer den beiden fröhlich zuwinkte. Dann setzte sich Henry neben Ruth, drehte sich zur Rückbank und reichte ihr ein in Seidenpapier eingeschlagenes Päckchen.
    »Was ist das?«, fragte Ruth.
    »Ein kleines Geschenk.«
    »Warum schenken Sie mir etwas? Ich habe nicht Geburtstag, habe Ihnen keinen Gefallen getan, mein Bock hat noch nicht einmal Ihre Schafe besamt.«
    Er lachte. »Machen Sie sich keine Gedanken. Ich liebe es, schöne Frauen mit Geschenken zu verwöhnen.«
    Misstrauisch nestelte Ruth an dem Papier. »Und ich liebe es ganz und gar nicht, als Frau gesehen zu werden, die man mit Geschenken ›verwöhnen‹ muss.«
    »Ach, seien Sie mir nicht böse. Packen Sie einfach aus, und Sie werden sehen, dass ich nicht anders konnte.«
    Ruth verstand nichts, löste aber dennoch das leise knisternde Seidenpapier. Ein weißer Schal! So fein gewebt, dass er wie ein Spinnennetz

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