Das Feuer des Daemons
Gesicht über und über mit Küssen zu bedecken. Kichernd legte er die Arme um ihren Hals. Für einen kurzen Moment drückte sie ihn fest an sich. Manchmal hatte sie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, so sehr belastete sie die Frage, wie sie für diese Kinder sorgen sollte. Sie fühlte sich zu jung und überfordert, aber gute Götter, sie liebte die beiden von ganzem Herzen.
In der Küche setzte sie Max in seinen Hochstuhl, und Chloe kletterte auf ihre Sitzerhöhung, mit einer Hand schleifte sie ihre Lala-Whoopsie-Puppe hinter sich her. Chloe nahm die Puppe auf den Schoß und setzte eine erwartungsvolle Miene auf. Max’ Augen begannen zu leuchten, als Grace eine Banane schälte. Er war inzwischen geschickt genug, um sein Essen mit Daumen und Zeigefinger zu greifen, daher schnitt sie seinen Teil der Banane in Stücke und stellte sie ihm in einer Schüssel hin. »Mmmm«, sagte er freudig und machte sich ans Werk.
Als sie die andere Hälfte der Banane Chloe vorsetzte, zog diese ein finsteres Gesicht. »Warum können wir nicht zuerst die Pancakes essen?«
Grace sagte: »Weil ich sie noch nicht gebacken habe. Außerdem musst du zuerst die Banane essen.«
»Du bist böse«, sagte Chloe.
Das ging zu weit. Mit strenger Miene sagte Grace: »Das reicht, junge Dame. Du hast die Wahl. Entweder du isst deine Banane, bist lieb und bekommst Pancakes, oder du bekommst Frühstücksflocken und gehst nach dem Frühstück in dein Zimmer.«
Vor Grace’ geistigem Auge drehte sich die Münze vom Vorabend in der Luft. Klug. Dämlich. Wenn die arme Chloe nicht aufpasste, würde sie ihr Leben im gleichen Beichtstuhl verbringen wie Grace. Sie verstand ihre Nichte vermutlich sehr viel besser, als diese glaubte.
»Aber du hast es versprochen«, heulte Chloe.
»Ich habe nie versprochen, Pancakes für Mädchen zu backen, die gemein zu mir sind und sich davor drücken wollen, ihre Banane zu essen, wie wir es besprochen hatten«, sagte Grace und sah zu Max hinüber.
Er mampfte mit vollen Backen und hatte es schon geschafft, sich Obst in sein feines Haar zu schmieren. Okay. Da würde jemand nach dem Frühstück noch mal baden. Chloe bekam einen roten Kopf und fing an zu weinen, während sie mit schnellen, wütenden Bissen ihre Hälfte der Banane aufaß. Jetzt noch ein Wutausbruch von der Älteren. Und es war noch nicht mal sieben Uhr.
Verzweifelt steuerte Grace auf die Kaffeemaschine zu. Wie es aussah, würde es wieder einer dieser Vormittage werden. Schon komisch, wie oft die nach einer zu kurzen Nacht auftraten.
Sie setzte eine extrastarke Kanne auf, denn an solchen Tagen war Koffein ihr bester Freund. Die Kaffeemaschine stand direkt neben dem Fenster auf der abgewetzten Küchenarbeitsplatte. Als Grace das Gerät einschaltete, verdunkelte sich der sonnige Morgen. Sie beugte sich über die Arbeitsplatte, um hinauszusehen.
Der Himmel war blau, mit duftig weißen Kumuluswolken übersät, und direkt über ihr kräuselte sich ein großes Stück davon. Wow, daran war irgendetwas ganz gehörig falsch.
Bevor sie etwas anderes tun konnte als glotzen, senkte sich die gekräuselte Masse Nichts auf die große, ungepflegte Wiese herab, und zum zweiten Mal in zwei Tagen erschien ein Drache auf ihrem Grundstück.
Nicht
ein
Drache.
Der
Drache. Dragos Cuelebre, der einzige bekannte lebende Drache.
Cuelebre hatte gut und gern die Größe eines Privatflugzeugs. Im Licht der Morgensonne glühte der tiefe Bronzeton seiner Schuppen. An den Spitzen seiner gigantischen Schwingen, am Schwanz und an seinen langen, kraftvollen Beinen vertiefte sich die Farbe zu Schwarz. Er wandte seinen enormen, dreieckigen, mit Hörnern besetzten Kopf und sah sich mit grimmigen, metallisch-goldenen Augen auf der Wiese um, dann überlief ein Schimmern seine Gestalt, und er verwandelte sich. Seine Umrisse schrumpften zu denen eines riesenhaften Mannes zusammen: über zwei Meter zehn groß, mit bronzefarbener Haut, tiefschwarzem Haar und goldenen Drachenaugen.
Diese Schläge voll auf die Zwölf mussten aufhören. Unbedingt.
Zu gleichen Teilen von Panik und Verzweiflung erfüllt, betrachtete sie den durchlaufenden Kaffee. Dann sah sie zu Chloe und Max. Chloe brabbelte unter Tränen auf den letzten Rest Banane in ihrer Hand ein. Max strampelte mit seinen winzigen, rundlichen Beinen, während er sich die Finger ableckte.
Grace betrachtete entsetzt wieder das Bild vor ihrem Fenster. Mit großen Schritten kam Cuelebre auf die Vorderseite des Hauses zu. Er war auf eine
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