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Das Feuer des Daemons

Das Feuer des Daemons

Titel: Das Feuer des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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wie viele Leute das wissen wollen«, murmelte Grace. Obwohl Rune gestern Morgen deutlich seine Kündigung ausgesprochen hatte, schien Cuelebre es noch immer nicht anzuerkennen.
    Khalil sagte kalt: »Sie hätten mir Ihren Wunsch mitteilen sollen, als ich Sie nach dem Grund Ihres Besuchs fragte. Ich hätte Ihnen sagen können, dass sich das Orakel an nichts aus dieser Konsultation erinnern kann.«
    Cuelebres goldener Blick ließ keine Sekunde von Grace ab. »Ist das wahr?«
    Sie seufzte. »Nicht dass es Sie etwas anginge – es ging auch den König der Nachtwesen nichts an – aber ja, es ist wahr. Ich kann mich nicht daran erinnern, was passiert ist.«
    Cuelebres Reaktion glich der von Julian: Etwas huschte über sein Gesicht. Doch diesmal glaubte Grace, einen kleinen Teil davon lesen zu können. Da war eine Spur von Überdruss, vielleicht auch Enttäuschung. Seine breiten Schultern mochten um wenige Millimeter nach vorn gesackt sein.
    Bei all den Problemen, vor denen der Lord der Wyr stand, hatte er sich die Zeit genommen, herzukommen und ihr diese Frage zu stellen. Grace fragte sich, ob er seinen Ersten vermisste. Vielleicht tat er das. Aber vielleicht bildete sie sich das alles auch nur ein.
    Cuelebre nickte ihr knapp zu, ignorierte Khalil und wandte sich zum Gehen.
    Tief in ihr rührte sich etwas, ein vertrauter, mächtiger Leviathan. Bestürzt rang sie nach Luft und rief ihm nach: »Warten Sie!«
    Cuelebre, der gerade den Weg erreicht hatte, machte auf dem Absatz kehrt. Für jemanden von seiner Größe bewegte er sich unmenschlich schnell.
    Grace sagte zu Khalil: »Bleibst du für ein paar Minuten bei den Kindern? Bitte?« Ihre Stimme klang fremd, als gehörte sie nicht zu ihr.
    Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an, sagte aber: »Nun gut.«
    Sie entriegelte die Fliegengittertür, stieg die Verandastufen hinunter und ging auf Cuelebre zu.
    Während sie sich ihm näherte, brandete eine dunkle, uralte Flut in ihr auf. Sie stammte aus dem endlosen Ozean, der mit allem in Berührung war und überall strömte. Der Morgen war sonnenhell, und doch entsprang diese Flut der Dunkelheit des Orakelmonds.
    Ein Teil von ihr wunderte sich noch immer. Man hatte ihr beigebracht, die Kraft des Orakels sei etwas so Tiefreichendes, dass man nur in den Tiefen der Erde mit ihr in Kontakt kommen konnte. Den ältesten Traditionen aus Delphi zufolge musste das Orakel aus einem Tempel in einer Höhle sprechen. Von den sieben Göttern der Alten Völker war Nadir die Göttin des Orakels, die Göttin der Tiefen. Noch nie hatte Grace davon gehört, dass die Kraft sich ungerufen am helllichten Tag erhoben hätte.
    Die Flut füllte sie aus, legte sich über ihre Augen und strömte aus ihrem Mund. Sie hörte Worte und wusste, dass sie sprach, konnte sich aber nicht darauf konzentrieren, was sie sagte, weil sie gleichzeitig noch eine andere, leise Stimme hörte. Diese Stimme wurde immer kräftiger und schwoll schließlich zu einem gewaltigen Lärm an, zum Brüllen einer herannahenden Armee.
    »Dennoch bleibt die Frage unbeantwortet. Fühlen die Sterne Schmerzen? Wenn die Sonne verbrennt und stirbt, wird sie dabei Qualen leiden? Wir müssen den Entschluss fassen, es zu glauben, denn das Licht ist ein Geschöpf wie die Dunkelheit … Es ist dem Lebendigen unmöglich, mich anzusehen, ohne vom Wesen des Bösen zu sprechen, denn das Lebendige kann die wahre Bedeutung dessen, was ich bin, nicht erfassen. Der Todesgott höchstselbst hat vergessen, dass er nur ein Bruchteil des Ganzen ist. Denn ich bin nicht nur Form, sondern die Form schlechthin, eine unteilbare Primzahl. Diese Dinge wurden am Anbeginn von allem in Bewegung gesetzt, zusammen mit den Gesetzen des Universums und der Zeit selbst. Die Götter entstanden im Augenblick der Schöpfung, ebenso wie die Große Bestie, wie Hunger, Geburt und Endgültigkeit. Und ich bin der Bote vom Ende aller Tage …«
    Dann kam aus dem Nichts eine Vision über sie, und ein riesiges Bild brach über Grace herein. Sie merkte, dass sie zur Seite kippte und das Gleichgewicht verlor, doch das schien in weiter Ferne zu geschehen.
    Sie sah eine herrliche Unendlichkeit aus Sternen, verstreut über unvorstellbare Entfernungen; kolossale, leuchtende Gruppen von Galaxien bildeten Spiralen mit ausgebreiteten Armen. Während die Stimme sprach, verschwanden die Sterne nach und nach. Sie wurden von einer schwarzen Gestalt verschluckt, die über verbrannte Erde schritt. Unbeschreibliches Grauen ergriff Besitz von Grace.

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