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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
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mit ihren angepriesenen Konsumprodukten. Als Markenartikel war sie ausgeprägt, abgestempelt, verbraucht und nicht mehr brauchbar.
    Sie quittierte frustriert einen Beruf, der ihr zwar Geld einbrachte, sie aber auch mit Assoziationen verband, deren fataler Popularität nur durch Rückkehr in die Anonymität zu entrinnen war.
    Swantje entschloß sich, ein Mädchen ohne Namen zu werden. Sie fand dabei Unterstützung bei einem Mann, den sie zwar als Besessenen einschätzen mußte, der aber wie sie von der Reklameindustrie angeekelt war. Wieder trat damit ein Fotograf entscheidend in ihr Leben, aber einer, der von großen Ambitionen erfüllt, davon träumte, Kameramann zu werden. Es war ein Meister seines Faches, ein Lichtbildkünstler, der wahre Artefakte schuf. Nach der staatlichen Lizenzierung der Reproduktion bislang verbotener Körperteile, nach der Freigabe der Darstellung erigierter Brustspitzen, der menschlichen Schamhaare und den dazugehörigen Gliedmaßen, und der Verpflichtung enthoben, fragwürdige ästhetische Maßstäbe einzuhalten, war die Grenze von künstlerischem Wert und fröhlicher Pornographie ohnedies zur Chimäre geworden. Nicht aber für unseren Künstler, der kühn, doch auch verfremdet durch Filter, Raster, Weichzeichner, Beleuchtungskontraste und Belichtungstricks Aktaufnahmen von besonderer Handschrift zustande brachte.
    Dieser Mann, nennen wir ihn Ian, war von Swantjes physischer Beschaffenheit hingerissen und zog sie allen anderen Modellen vor, die sich, dem libertinen Zeittrend entsprechend, vor seine Objektive drängten.
    So wurde Swantje zwar namenloses, aber bevorzugtes Covergirl erstklassiger illustrierter Periodika und Herrenmagazine, Nacktmodell für die optischen Bildfänge auf der Frontscheibe der Boulevardpresse und, zwecks Auflockerung des Umbruchs, auch auf den Innenseiten zwischen Feuilleton und Lokalem. Sie diente der Posterindustrie und der Pocketbook-branche mit den erotischen Lichtbildwerken ihres Körpers als Illumination einer Literatur mit sehr direkter Zielsetzung. Sie wurde, um abermals einen modischen Fachbegriff zu gebrauchen, ein Nudie , oder umgangssprachlich ein Nackedei.
    Sie hatte zu ihrem Körper ein durchaus positives Verhältnis. Da sie wußte, daß er schön war, hatte sie keine Hemmungen, diese Qualität der Umwelt bekanntzumachen. Sie war keine Exhibitionistin, die dem Drang, sich entblößt zu zeigen, nicht widerstehen kann. Aber sie demonstrierte gerne, was demonstrieren zu können ihrer natürlichen Eitelkeit schmeicheln mußte.
    Bei der intensiven Zusammenarbeit der beiden erfuhr ihre ohnedies längst intim gewordene Beziehung eine seltsame Umwandlung. Der Ort der Handlung verlagerte sich vom Schlafzimmer sozusagen ins Studio. Vom Körper ins Gehirn. Die anstrengenden Stunden der Arbeit wurden zu Stunden einer exzessiven Leidenschaft. Die konzentrierte körperliche und auch, sagen wir es ruhig, geistige Anstrengung führte nicht zu Verkrampfungen, sondern im Gegenteil zu Spannungen mit spasmischen Lösungen, die des sexuellen Reizes nicht entbehrten. Dies war für Swantje ein völlig neues Erlebnis, das in stärkstem Kontrast zu ihren ersten Liebeserfahrungen und zu den obligaten geschäfts- und neigungsbedingten Männerbegegnungen ihres promiskuitiven Lebens stand. Sie erlebte Sexualität - wie wir zu verstehen gegeben haben -sachlich und ohne sentimentale Befrachtung, besaß eine durchaus normale Sinnlichkeit, aber bislang war alle sexuelle Erregung, auch der durchaus leicht zu erzielende Orgasmus, eine rein physische Angelegenheit gewesen, die auf der Grundlage mechanischer Reizung und Reibung beruhte. Es war das Endprodukt enger körperlicher Berührung, eine Frage von Rhythmus und Tempo und der Affinität geschlechtsverschiedener Schleimhäute.
    Und nun lernte sie die hektische Orgiastik kennen, höchste Lust, eingeschlossen in ihre Arbeit, nicht ein Appendix, eine geduldete oder gewünschte Begleiterscheinung ihrer jeweiligen Berufsausübung. Hier war etwas wie eine drahtlose Verständigung, eine Hingabe ohne Körperberührung, ohne Penetration, eine Preisgabe ohne Selbstaufgabe, eine Besitznahme ohne okkupierende Hände, ohne saugenden Mund, ohne das eindringende Glied: ein Orgasmus sozusagen aus galaktischem Raum herbeigeführt, empfangen nicht von Körperzellen, sondern direkt von einem Sensorium des Gehirns ...
    Der elternlose Heimzögling, das Nähmädchen, das Mannequin, das Reklamemodel fühlte endlich Selbstverwirklichung,

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