Das Filmbett
aufschlagen.
Swantje lernte mit billigen Sexbomben und üppigen Eisbomben zu leben. Es wurde ihr aber rasch leid, die Tage an den diversen Swimming-pools herumzutrödeln, sich lüstern zu räkeln, wenn eine männliche Badehose aufkreuzte, sich auf Jachten - außer Reichweite neugieriger Ferngläser - malerisch nackt am Mast oder an der Takelage zu postieren, mit leicht geöffneten Schenkeln auf dem Mahagonideck sonnen-zubaden, um - angeblich unwissentlich - backgammonspielenden Männern Erektionen zu verschaffen. Es langweilte sie, an den abendlichen hochgestochenen Diskussionen teilzunehmen, von denen sie - wie ihre Mitschwestern - kein Wort verstand, schweigend dabeisitzen zu müssen, Sekt und Wodka zu trinken und zu warten, bis der Gastgeber sein Taschentuch geworfen hatte und sie dieser oder jener Partygast mit ins Bett nahm - zu keinem anderen Zweck, als in irgendeiner Klatschspalte erwähnt zu werden.
Es widerte sie an, in Gruppensex zu machen, nur weil es »in« war, gesellschaftsrituellen Orgien beizuwohnen, die wegen allseitiger Übermüdung und Abschlaffung vorwiegend zu lächerlichen Mißerfolgen wurden, solange man nicht das quicke farbige Dienstpersonal aus Ghana zu Hilfe holte. Sie wollte nicht senilen Voyeuren und faltenreichen Lesben in extremen Stellungen zeigen, wie sich Mädchen selbst befriedigen. Sie wollte nicht das träge Leben dieser publizitätsgeilen Dirnchen leben, sondern richtig arbeiten, malochen, wie sie es von Kindheit an gewöhnt war. Sie fand den Handel, der hier getrieben wurde, schlicht beschissen und kleinkariert.
Aus diesem Paradies der Langeweile holte sie ein Telegramm Ians heraus. Er war überstürzt zurückgekommen (mit vielen Bildern schöner vollbusiger Massai- und Kikuyu-Mädchen) auf eine Depesche hin, die ihm endlich eine Filmregie zusagte.
Swantje quittierte umgehend ihr Zwischenspiel als Partygirl, kehrte zu Ian zurück und geriet umgehend in ein neues, bislang unbekanntes Milieu. In der heimlichen Hauptstadt der Bundesrepublik, die sich in akuter Gefahr befindet immer wieder ein unheimliches Provinznest zu sein, vegetierten die Reste von Oberhausen, die Veteranen eines Manifestes, das die Welt erschüttern sollte, längst überholt von weiteren Generationen von Filmemachern, zermürbt von Mißerfolgen, ausgehöhlt von den Kämpfen um Prämien in Gremien und Forderungen nach Förderungen. Die Jungfilmer in der Mid-life-crises, komplette Versager mit nie versagenden Komplexen, die neidisch-nägelkauend auf den nächsten Pseudoerfolg des einen von drei oder vier Newcomers sahen. Eine Boheme eigener und neuer Art: Die Boheme der Cineasten, die durch Mund-zu-Mund-Beatmung von einer Mafia spezifisch deutscher Kinointellektualität am Leben erhalten wurde.
In dieser verwitterten Boheme wirkte Swantjes ungebrochene Frische belebender als in Puccinis Boheme Mimi und Musette zusammen. Sie wurde in diesem Schwabinger Clan, der mit Vorschußlorbeeren rasch bei der Hand war, zur Muse des »Neuen deutschen Films« ernannt und es war selbstverständlich, daß sie die Hauptrolle in Ians Regieerstling spielte, der nur leider immer noch nicht voll finanziert war, auch als Ian seine beträchtlichen Bankkonten und Swantje euphorisch ihre diversen Sparkassenbücher in das Projekt investierten. Der Film lag sehr unglücklich zwischen neuer Filmkunst und altem Kommerzfilm und saß letztlich zwischen allen Kinostühlen. Er wurde von den beiden Institutionen, die damals noch Film ermöglichen konnten, nicht unterstützt: den Gremien und den Verleihfirmen. Beides sind Geldverleiher von Balzac'schem Cäsarismus. Die Gremien verleihen Geld, das ihnen nicht gehört, sondern dem Steuerzahler, die Verleiher verleihen Geld, das sie nicht haben, aber von Menschen kriegen, die keine Steuern zahlen wollen. Die einen tun es mit Präpotenz, die anderen mit Ignoranz.
Irgendwie kam der Film zustande. Swantje machte ihre Sache gut, der Film war interessant und ein totaler Mißerfolg. Nicht nur beim Publikum, das ihn nicht verstand, sondern auch bei der Presse, die ihn nicht verstehen wollte. Es gab zu wenig zu interpretieren. Er hatte allerdings auch eine entscheidende Fehlbesetzung, den jungen Produzenten nämlich, eine Eintagsblüte im bundesdeutschen Film, schlicht eine Flasche und zwar konsumgerecht, aber umweltverschmutzend, eine Einwegflasche.
Mit Swantje als Muse des »Neuen deutschen Filmes« war es also nichts. Ian verlor sein ganzes Geld und gewann einen Schuldenberg. Swantje hatte zum
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