Das Finale
sagte
Frauke und schlürfte einen Schluck. Da sie zu Hause weder etwas gegessen noch
getrunken hatte, war ihr Rachen ausgetrocknet. Der Kaffee wirkte wie ein
Lebenselixier. Putensenf beobachtete sie.
»Viele Grüße von
meiner Frau«, sagte er und hob leicht seinen Becher in die Höhe. »Sie hat
gemeint, Junggesellen denken nicht an so was, wenn sie nachts rausmüssen.«
Putensenf griff über
die Rückenlehne und holte die abgegriffene Aktentasche hervor, die er dort
deponiert hatte. Er reichte Frauke ein kleines in Butterbrotpapier
eingewickeltes Päckchen. »Ist auch von meiner Frau. Leberwurst. Braunschweiger …«, fügte er an.
Schweigend aßen sie
und sahen sich um.
Putensenf hatte das
Fahrzeug auf dem Parkstreifen vor dem Haus in der Kurt-Schumacher-Straße
abgestellt, die aus Richtung City zum nahen Hauptbahnhof führte. Nur
gelegentlich fuhr ein Auto auf der mehrspurigen Straße.
Frauke warf einen
Blick aus dem Seitenfenster auf den Briefkasten, der vor dem ansehnlichen Haus
mit der gegliederten Fassade stand. Ein einzelner Balkon in der Beletage zierte
das Gebäude. Weniger ansehnlich waren der graue Klotz mit den Hausbriefkästen,
der auf Ständern vor dem Eingang stand und den schmalen Grünstreifen begrenzte,
sowie die Müllbehälter, die links neben dem Eingang ihren Platz gefunden
hatten. Am Sockel des Gebäudes blätterte die Farbe ab, und irgendjemand hatte
die früher sicher reichlich verzierte Eingangstür gegen eine aus Aluprofilen
und Drahtglas ausgetauscht.
Das Haus war
eingerahmt von einem etwas im Hintergrund liegenden Fachwerkhaus, das sich zum
Teil hinter Bäumen verbarg, und auf der rechten Seite von einer prächtigen Stadtvilla.
Zwischen den Nachbarn wirkte es fast wie ein Fremdkörper.
Frauke sah auf die
Uhr. Sie hatten noch zwanzig Minuten Zeit. Sie stieg aus, zog ihre Jacke am
Kragen zusammen, weil sie in der Morgenkühle fröstelte, und ging zum Eingang.
Sie war erstaunt, wie viele Parteien in dem Haus wohnten. An einer Klingel
prangte das sauber geprägte Schild »Pension Hirtmann«.
Frauke kehrte um,
lief am Dienstwagen vorbei und nickte Putensenf zu, der sie neugierig durch die
Scheibe beäugte. Nach wenigen Schritten überquerte sie eine Nebenstraße, die
mit dichten Bäumen bepflanzt war. Das Laub ließ einen ersten Schimmer des
bevorstehenden Herbstes erahnen. Mit einem Seitenblick gewahrte sie, dass sich
in der Adolfstraße ein ansehnliches Haus an das nächste reihte.
Ein wenig weiter
warb ein großes Schild für Kanu- und Floßfahrten auf der Oker. Frauke zuckte
die Schultern. Diesen Fluss hatte sie bisher nur mit dem Harz in Verbindung
gebracht. Es waren keine fünfzig Meter, bis sie auf einer Brücke stand, die das
Gewässer überspannte. Unter sich sah sie Tretboote, die mit einem
nachgebildeten Schwanenhals dem Fahrgast ein besonderes Feeling verleihen
sollten.
Ein sich näherndes
Rauschen riss sie aus ihren Gedanken. Eine Straßenbahn kam aus Richtung
Innenstadt und hielt ein Stück weiter, bevor sie den Hauptbahnhof erreichte.
Nur wenige Fahrgäste saßen hinter den erleuchteten Fenstern. Munter sah keiner
aus. Frauke gähnte. Sie konnte es ihnen nachempfinden.
Langsam kehrte sie
zum Dienstwagen zurück. Fast gleichzeitig mir ihr traf ein ziviles
Einsatzfahrzeug ein, dem zwei uniformierte Beamte entstiegen.
Sie stellten sich
mit »Hauptmeister Bruhns« und »Oberkommissar Stankowski« vor.
Mit wenigen Worten
erklärte Frauke das Vorhaben. Die beiden Beamten nickten, ohne weitere Fragen
zu stellen. Stankowski rückte noch einmal seine Mütze zurecht, dann marschierte
das Quartett zur Haustür.
»Wollen wir ein
ordentliches Brimborium veranstalten?«, fragte Putensenf.
Als ihn Hauptmeister
Bruhns fragend ansah, fügte er an: »Ich meine, mit viel Lärm und lautem
Gepolter, damit möglichst viele Nachbarn mitbekommen, dass die Polizei im
Anmarsch ist?«
»Nein«, entschied
Frauke. »Ich gehe nicht davon aus, dass wir auf Widerstand stoßen. Wir müssen
hier kein Zeichen setzen. Melanie Hirtmann ist sicher genauso Opfer wie Kevin
Schmidtke.«
Putensenf zupfte an
Fraukes Ärmel und zog sie ein wenig an die Seite.
»Ist es dann
richtig, dass wir hier und an anderen Orten eine Razzia durchführen, obwohl der
arglose Schmidtke wegen einer Razzia ermordet wurde?«
»Ich gehe davon aus,
dass kein weiterer der sogenannten Pensionswirte etwas zu befürchten hat. Die
Organisation weiß, dass dieses Geschäftsmodell aufgeflogen ist und die Verräter
sich nicht aus
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