Das Finale
euch
nicht«, schrie Lunardini und zeigte auf einen Lautsprecher, aus dem
deutschsprachige Unterhaltungsmusik drang. Er sah sich suchend um und wusste
nicht, auf welchen Computerbildschirm er sehen musste. Über neun Displays
flimmerten Zahlen, Buchstaben und Zeichen. Mal waren die bunten Kolonnen
waagerecht, mal senkrecht angebracht. Dazwischen lagen Tastaturen herum,
Kopfhörer, Pulte mit Knöpfen und Schiebereglern. An mehreren Teleskoparmen
hingen Mikrofone.
Lunardini sah auf
einen Bildschirm. »Jetzt läuft …«, las er vor, » G.G. Anderson:
›Good Bye My Love, Good Bye‹.« Daneben lief ein Countdown in Sekunden. Als das
Stück zu Ende war, wechselte die Farbe auf die nächste Zeile, und es erklang
der Folgetitel.
»Das ist das
Sendeprotokoll«, erklärte Eigenbrodt in beschwichtigender Tonlage.
»Wo steht, was du
gesagt hast?«, wollte Lunardini wissen.
»Das hier ist das,
was geplant ist. Der Wortbeitrag gehörte nicht dazu.
Den haben wir dazwischengeschoben.«
Lunardini überlegte.
»Ich will, dass sie das noch einmal vorliest. Hier. Jetzt und sofort.«
Martina Gilica
verknotete ihre Finger ineinander, dann fasste sie sich an die Kehle und
spielte mit dem goldenen Anhänger, der von einer der drei Ketten an ihrem Hals
herabhing.
Für einen kurzen
Moment musterte Lunardini die attraktive Frau in dem weißen Pullover, der ihre
Figur vorteilhaft zur Geltung brachte.
Dann zog die
Moderatorin eine Augenbraue in die Höhe und legte den Finger auf die Lippen.
»Ich muss jetzt eine
Ansage machen«, erklärte sie. »Bitte keinen Ton, sonst fällt Ihr Besuch im
Studio jedem auf.«
Das sah Lunardini
ein. Er beobachtete, wie die Moderatorin ein paar Knöpfe bediente, die Musik
langsam ausklang und die geübte Rundfunkstimme die nächsten Titel ansagte.
»Nach der Tageszusammenfassung auf NDR 1
Niedersachsen Regional geht’s jetzt weiter mit einem Hit aus den achtziger
Jahren. Die Eurythmics mit ›Sweet Dreams‹.«
Dann erlosch das
rote Licht an der Studiowand wieder.
»Los, den Text.«
Eigenbrodt tastete
seine Taschen ab. »Verflixt.« Es gelang ihm, Lunardini vorwurfsvoll anzusehen.
»Wir sind so hastig aufgebrochen, dass ich den Zettel im Studio vergessen
habe.«
»Dann hol ihn«,
schrie Lunardini, dem die Kontrolle zu entgleiten drohte.
Zögernd ging der
Redakteur zur Studiotür, als der Geiselnehmer hinterherrief.
»Halt, das machen
wir anders. Dein Kumpel geht. Und du, Raffaele, begleitest ihn.«
»Ich?«, fragte der
zweite Täter erstaunt. »Dann ist jeder von uns allein?«
»Mach schon.
Verdammt. Ich will das hier durchziehen.« Lunardinis Stimme überschlug sich.
»In zwei Minuten seid ihr zurück. Oder ich bringe den Ersten um.«
Durch das große
Fenster des Studios sah Lunardini, wie sein Kumpan Peter Wolffsohn vor sich
hertrieb.
***
In der
gegenüberliegenden Glaswand, die zum Innenhof führte, spiegelte es sich, sodass
Frauke Schwarczers Aktion sehen konnte. Millimeterweise robbte der Kommissar
vorwärts. Für Sekunden hielten beide Beamten den Atem an, als Schwarczers
Gürtelschnalle über die Bodenfliesen ratschte. Aber der Täter hatte es nicht
gehört. Dessen Nervosität hatte sich weiter gesteigert. Abwechselnd sah er auf
die Uhr, drehte sich im Kreis, riss die Maschinenpistole hoch und ließ sie
wieder sinken. Dem Mann war anzusehen, dass er sich in diesem Augenblick weit
wegwünschte. Er war hoffnungslos überfordert und wirkte wie ein Tierjunges, das
sich im Fell der Mutter verkriechen möchte.
Vorsichtig schob
Schwarczer den Kopf um die Ecke, sodass er mit einem Auge sein Ziel anvisieren
konnte. Dann folgte die rechte Hand mit dem Gegenstand, den Frauke ihm
ausgehändigt hatte.
Frauke hatte sich
entschieden, diesen Weg zu beschreiten. Wenn es ihnen gelang, den ersten Mann
auszuschalten, war ein strategisch wichtiger Platz auf der Kreuzung der beiden
Gänge nicht mehr durch die Täter besetzt.
Die Waffe in der
Hand des jungen Mannes war gefährlich. Mit ihr konnte er in einer
Kurzschlussreaktion viel Unheil anrichten und, ohne nachzudenken, seine Geisel
töten. Um das Leben des Pförtners zu schützen, könnte ein Scharfschütze des MEK aus Schwarczers Position einen finalen
Rettungsschuss abgeben. War das bei der derzeitigen Gefahrenlage angemessen?
Diese Frage musste der Einsatzleiter vor Ort entscheiden, und hinterher würden
studierte Juristen das Für und Wider abwägen und dem Beamten vor Ort vorwerfen,
dass seine Entscheidung falsch war. Der Innenminister
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