Das Finale
hatte einen
Polizeibeamten wegen des Einsatzes von Pfefferspray gegen einen Gewalttäter in
Schutz genommen und war dafür öffentlich gerügt worden. Das hatte zur Folge,
dass andere solch entschlossenes Eintreten künftig wohl unterließen und der
Beamte vor Ort noch einsamer bei seiner Entscheidungsfindung war. Dabei
bedurfte es keiner Diskussion. Kein Polizist war schießwütig. Und auch Frauke
hätte nie die Anweisung zu einem finalen Schuss erteilt. Sie hatte sich anders
entschieden und verfolgte atemlos Schwarczers Aktion.
Der Kommissar
beobachtete das Vorgehen des Täters. Sein Verhalten lief nach einem festen
Rhythmus ab. Der Mann sah auf die Glastür Richtung Straße, dann den langen Flur
entlang, wo seine Kumpane verschwunden waren. Von dort warf er einen Blick in
das Foyer, beschränkte sich aber darauf, den Pförtner anzusehen, um
anschließend die andere Gangseite zu kontrollieren. Dann sah er auf die Uhr.
Bei allen Bewegungsabläufen wanderte der Lauf seiner Maschinenpistole stets mit
der Blickrichtung. Wenn er auf die Uhr sah, hielt er die Waffe kurz auf den
Boden gerichtet.
Die beiden
Polizisten ließen mehrere dieser Rhythmen verstreichen.
Jetzt schob
Schwarczer die rechte Hand vor, hielt sie unter dem Kopf und richtete den
Gegenstand auf den Täter. Als dessen Blick auf die Uhr fiel und er für den
Bruchteil einer Sekunde abgelenkt war, schrie der Kommissar: »Polizei. Sie sind
umstellt. Waffe fallen lassen.«
Der Täter fuhr
zusammen. Er riss seine Maschinenpistole hoch und gab einen unkontrollierten
Feuerstoß in die Richtung ab, aus der die Stimme kam.
»Ich schieße«, rief
Schwarzer.
In diesem Moment gab
Frauke einen Warnschuss ab, der hoch über dem Kopf des Täters in die
Deckenverkleidung fuhr.
Der Täter zuckte
zusammen und zog automatisch den Kopf zwischen die Schultern.
»Sieh dich an«, rief
Schwarczer. »Der nächste Schuss sitzt. Rundherum sind Scharfschützen
positioniert.«
Der Mann ließ sich
einschüchtern. Er sah an sich hinab und stöhnte auf. »Mein Gott«, schrie er.
»Mein Gott. Tu’s nicht.« Entsetzen trat in sein Gesicht, als er in Richtung des
aus seiner Sicht immer noch unsichtbaren vermeintlichen Schafschützen blickte. Instinktiv
ließ seine linke Hand die Maschinenpistole los und wanderte zu der Stelle, auf
die der rote Punkt des Präzisionsgewehrs gerichtet war. Womöglich hätte ein
Anvisieren des Herzens, der Brust oder des Kopfes ihn nicht so irritiert wie
der rote Punkt, der exakt auf seine Männlichkeit ausgerichtet war. Es war eine
hilflose, fast kindische Reaktion, als der Täter seine Hand davorhielt, als
könne er damit seine Kostbarkeiten schützen.
»Es gibt keine
zweite Warnung«, drohte Schwarczer. »Die nächste Kugel ist ein Volltreffer.«
Der Kommissar ließ ihm einen Atemzug Pause, um seine Drohung wirken zu lassen,
bevor er weitersprach. »Finger vom Abzug.«
Frauke verfolgte in
der spiegelnden Scheibe, wie der Täter gehorchte.
»Ganz langsam die
Waffe auf den Boden legen«, befahl Schwarczer.
Auch dieser
Aufforderung kam der Geiselnehmer nach.
Frauke atmete tief
durch. Sie hatte sich an den elektronischen Laserpointer erinnert, den sie in
ihrer Handtasche mit sich führte und den sie bei Dienstbesprechungen einsetzte,
um auf Einzelheiten am Whiteboard, am Videoschirm oder am Flipchart zu
verweisen. Der rote Markierungspunkt hatte den Täter irritiert.
Wie gut, dass der
Mann der Generation angehört, die Fiktion und Wirklichkeit durch die
Ballerspiele am Computer nicht mehr zu trennen vermag, dachte Frauke. Ein
weiterer glücklicher Umstand war, dass der Mann so unerfahren war.
Sie kam hinter der
Ecke hervor und richtete ihre Waffe lehrbuchmäßig auf den Täter aus. Schwarczer
war aufgestanden und folgte ihr.
»Hände in die Höhe. Zwei
Schritte vor«, befahl Frauke.
Zögernd kam der
Täter ihrer Aufforderung nach.
»Noch zwei. Los.«
Fordernd bewegte sie ihre Pistole.
Der Geiselnehmer
schob seine Füße über die Fliesen. Das reichte. Jetzt war er nicht mehr auf dem
Gang zu sehen, in dem die Mittäter verschwunden waren.
Es galt, schnell zu
handeln. Beide Beamten spurteten los. Schwarczer riss den Täter zu Boden und
drückte ihn nieder, während Frauke die Maschinenpistole zur Seite nahm und den
Gang sicherte.
Putensenf hatte den
ganzen Vorgang aus seiner Deckung beobachtet und tauchte jetzt ebenfalls im
Foyer auf. Er half Schwarczer, dem Täter Handfesseln anzulegen. Dann hoben die
beiden Beamten den Mann hoch.
»Wie
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