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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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Gelegenheit, sich von dem Anstieg zu erholen, blickte hinab in die Senke. Nicht das Geringste änderte sich an dem Bild, das sich ihm bot, und kein Geräusch verriet eine noch so kleine verborgene Bewegung.
    Greider zog sein Gewehr aus der Halterung, hielt es locker, aber bereit an seiner rechten Seite, raffte mit der Linken die Zügel und befahl das Maultier mit vorsichtigen Tritten die Anhöhe hinunter.
    Die Augen behielt er unablässig auf den Hof geheftet, aber seine Aufmerksamkeit wurde nicht belohnt, das Anwesenblieb stumm, seine Fenster blind, die Türen regungslos. Wenn man dort auf die Rückkehr der im Morgengrauen Ausgesandten wartete, oder auf die unerwartete Ankunft eines anderen lauerte, dann tat man es verkrochen im Schutz der Mauern.
    Wie die Todgeweihten der Früh, nur in umgekehrter Richtung, durchquerte Greider die Senke stetig witternd nach einem Zeichen, das nicht kam. Er erreichte die Einzäunung des Hofs, ohne dass es sich ihm offenbart hätte, stieg am Wegdurchlass ab und band – dem finster vor ihm daliegenden Haus nie den Rücken zukehrend – sein Tier an das Gatter.
    Sein Gewehr beidhändig vor der Brust haltend betrat er das Gehöft. Der beim Aufbruch der Brenner-Brüder in die Ewigkeit schon halb niedergetretene Schnee knirschte unter seinen Stiefeln. Er setzte seine Schritte mit Bedacht, seine Umgebung weiterhin wachsam belauschend, mit schweifendem Blick absuchend.
    Die Tore der Ställe und Scheune waren geschlossen, dahinter ertönten nur hin und wieder gedämpfte Laute, müdes Schnauben, grunzendes Scharren. Die schwarzen Fenster des Hauses waren leere Löcher in ein Inneres, das menschenleer schien, als wären seine Bewohner längst in ihren letzten Schlaf gesunken und zu Staub zerfallen.
    Greider erreichte den Brunnen, blieb einen Moment stehen, um sich einmal rundum umzusehen, ging dann weiter, auf die Tür des Hofs zu, die nur noch ein Dutzend Schritte entfernt war. Zu seiner Linken konnte er nun in den Anbau neben dem großen Stall schauen. Auch er war verlassen, einsam stand der Amboss in seiner Mitte, und als einziger Zeuge, dass dies nicht schon Tage, Jahre so war, glomm in der Esse dunkelrot ein Rest von Glut. Da schreckte Greider auf, wirbelte herum, riss sein Gewehr an die Schulter. Um eseinen Moment später schon wieder lächelnd sinken zu lassen. Was da so einen knatternden Schlag getan hatte, war nur eine Krähe, die sich mit kräftigen Flügeln vom Scheunendach aufgeschwungen hatte.
    Greider setzte seinen Weg fort. Die Tür vor ihm wirkte fast wie ein Höhleneingang: Die Balken, aus denen ihr Stock gezimmert war, waren so dick und roh behauen, dass sie die Hausmauer wie einen Stollen zu stützen schienen; die Bretter, aus denen man sie gefügt hatte, waren so schwarz, dass sie das Licht schluckten wie ein tiefer Brunnenschacht. Greider war darauf gefasst, dass die Tür jeden Moment auffliegen konnte, und schickte sich an, jeden mit einer Kugel zu empfangen, der sich dahinter zeigen würde. Aber er kam ihr näher, Schritt für Schritt, und nichts tat sich.
    Schließlich erreichte er die Schwelle. Mit gespannter Entschlossenheit fasste er nach dem Türgriff.
    Die Bewegung hinter sich ahnte er mehr, als er sie sah, ein Huschen in seinem Augenwinkel. Zu ergründen, wie es der Schmied geschafft hatte sich anzuschleichen, dazu blieb Greider keine Zeit. Er schaffte es gerade noch, sich halb umzuwenden und den Hünen zu erkennen, der wie aus dem Boden gewachsen plötzlich zwei Schritte hinter ihm stand, und sich instinktiv zur Seite sacken zu lassen. Der Schmied war schon in der Vorwärtsbewegung, sein rechter Arm, aus dessen Faust der kurze, klobige Schmiedehammer ragte, hatte schon den Scheitelpunkt seines weiten Ausholens überschritten. Eine Sekunde später, und er hätte Greider den Schädel zerschmettert, ohne dass der auch nur mitbekommen hätte, was ihn da niederstreckte. So aber sauste der Hammer derart nah an Greiders Ohr vorbei, dass er ihn die Luft zerteilen hörte, fegte ihm den Hut vom Kopf und krachte halb, splittertreibend, gegen die Tür, halb auf Greiders rechte Schulter.
    Dies war genug, dass es Greider mit einem überraschtenSchmerzensschrei ganz zu Boden rammte. Im Fallen konnte er aber wenigstens seine Drehung vollenden, sodass er mit dem Rücken zur Tür auf dem Hosenboden landete. Schneller als sein Verstand handelten seine Beine, nutzten den Augenblick, da es den Schmied durch den unerwartet ins Leere gegangenen Schlag aus dem Gleichgewicht gebracht

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