Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
Vom Netzwerk:
hatte. Sie traten zu, gegen die Schienbeine des Riesen. Der geriet tatsächlich etwas ins Taumeln, musste ein, zwei Schritte zurück machen, um sich wieder zu fangen. Das war Zeit genug für Greiders Hände, in Aktion zu treten, während sein Bewusstsein weiter nur übertölpelter Zuschauer war. Die Hände hielten noch immer das Gewehr, und sie rissen es hoch, deuteten vage in Richtung des Angreifers und drückten ab.
    Die Kugel prallte in Höhe des Oberschenkels gegen die starre, speckige Lederschürze des Schmieds, durchdrang sie. Der Hüne grunzte nur kurz auf, schüttelte einmal das Bein, als gelte es, ein Steinchen aus dem Schuh zu schütteln, und kam wieder auf Greider zu.
    Der saß auf der Schwelle wie ein Betrunkener, der nachts das Schlüsselloch nicht mehr gefunden hatte. Er versuchte durchzuladen, aber er kam nicht weiter als bis zum Auswerfen der leeren Patronenhülse, die dampfend in den Schnee zischte. Dann hatte der Schmied schon wieder die Distanz zwischen ihnen geschlossen und mit seinem Hammer, der Sense eines Schnitters gleich, die Waffe aus Greiders Händen gemäht. Wie auf eine taube Glocke traf mit metallischem Klang der Schlegel auf den Lauf, dass das Gewehr in hohem Bogen einige Meter weit in den Schnee flog und Greiders Hände von dem Prall brannten.
    Hätte Greider sich nicht fast im selben Moment vollends zu Boden fallen lassen, der Hammer hätte ihm auf dem Rückschwung das Gesicht zertrümmert. Und schon holte der Schmied zum nächsten Schlag aus.
    Greider hechtete, sich mit den Füßen vom Türstock abstoßend, nach vorne. Der Hieb ging abermals ins Leere.
    Greider fand sich auf allen vieren direkt neben den Stiefeln des Riesen wieder. Ein Beobachter aus der Ferne hätte die Szene komisch finden müssen: Wie ein lästiges Hündchen sah das aus, das um die Beine eines Mannes hechelt und springt, der es mit der Hand vertreiben will. Aber in der Hand war ein Hammer, und Greider, im Schnee rutschend und schlitternd, nicht wagend, sich aufzurichten, kämpfte um sein Leben.
    Für den Moment war es sein Vorteil, dass er so nah zu Füßen seines Feindes gelandet war, denn das machte es dem Hünen schwerer, genau zu zielen, und es hinderte ihn daran, voll auszuholen, ohne seine eigenen Glieder in Gefahr zu bringen.
    Aber nachdem sich Greider zwei, drei Mal aus der Bahn eines halbherzigen Hiebs gerollt hatte, war der Schmied das Spiel leid geworden. Während Greider hektisch nach oben lurte, um den nächsten Schlag kommen zu sehen, traf ihn ein Tritt in die Rippen und hob ihn buchstäblich in die Luft, dass er in hohem Bogen zwei Meter weiter auf dem Rücken im Schnee landete.
    Der Aufprall schlug ihm die Luft aus der Lunge, und sie hatte sich noch nicht wieder gefüllt, die schwarzen Flecken waren noch nicht wieder aus seinem Blick versickert, da schien sich die Hand Gottes aus den Wolken zu strecken und ihn bei der Brust zu packen. Der Riese griff ihn mit der Linken an der Jacke des Brenner-Sohns und lupfte ihn in die Höhe wie ein Kätzchen. Greider strampelte, aber seine Füße fanden keinen Boden mehr unter sich, er versuchte, den Arm, an dem er hing, zu kratzen, die Hand zu beißen, mit seinen Fäusten den massigen Leib, das knochige Gesicht dahinter zu bearbeiten. Aber auch das hinterließ nicht mehrEindruck, als seien es die spielerischen Tatzen eines jungen Tiers. Der Schmied schüttelte Greider, auf dass der einen Moment stillhielt und er besser Maß nehmen konnte. Seine Rechte holte aus, um ihm den Hammer auf den Schädel sausen zu lassen.
    Greider riss seine Hände hoch, fasste den kahlen Kopf des Schmieds und stieß ihm die Daumen in die Augen, drückte sie so fest in die tief liegenden Höhlen, wie er nur konnte.
    Der Hüne schrie auf, ließ Greider fallen und presste seine Handballen auf die verletzten Augäpfel.
    Greider zögerte keine Sekunde. Er verschwendete nicht den kleinsten Gedanken an Kampf. Er brachte seine Beine unter sich und rannte los, noch ehe er sich auch nur wieder voll aufgerichtet hatte, so schnell, wie es ihm seine Atemlosigkeit und der tiefe, haltlose Schnee erlaubten.
    Er war schon fast wieder am Brunnen angelangt, da hörte er hinter sich einen wütenden Ruf. Seiner Hoffnung schien dieser Ruf schon aus Meilen Entfernung zu kommen, seiner Angst schien er ihm direkt in den Nacken gekeucht – und sein Verstand schien zu wissen, dass die Wahrheit in einer zumindest aussichtsreichen Mitte dazwischen liegen musste. Aber dann kamen auch dem Verstand die Längen

Weitere Kostenlose Bücher