Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
müssen.
Gilles ließ sich sein Fernrohr reichen. Hässlich war sie, die Hauptstadt der Heiden. Bar jeder Eleganz. In den Vororten waren viele Häuser ganz aus Holz gebaut. Ein einziger großer
Misthaufen. Sie war es nicht wert, viel Blut zu vergießen. Und doch glaubten alle, dies sei das Ziel des Feldzugs. Gilles lächelte.
In den Wäldern auf der anderen Seite des Hartungskliffs standen zwanzig Schwadronen Reiter bereit. Und fünf der besten Regimenter aus Pikenieren und Arkebusieren verbargen sich dort. Weitere Truppen waren bereits in der Nacht von Honnigsvald aus in Marsch gesetzt worden. Eine kleine Flotte aus Galeeren sperrte den Fjord. Es war an alles gedacht.
Gilles ließ den Blick über die Festungsanlagen der Heiden wandern. Sie hatten viel Aufwand betrieben, um sich einzugraben. Das musste man ihnen zugestehen. Er betrachtete den jämmerlichen Strom von Flüchtlingen, die sich auf den Weg gemacht hatten. Durch die Regenschleier, die über den Fjord zogen, sah er alles ein wenig unscharf. Warum bogen sie vom Weg ab?
Ein gleißendes Licht erhob sich unweit der Stadtwälle.
Sein Leibarzt fluchte.
»Was geht da vor sich? Du hast gesagt, hier oben auf dem Kliff zwischen den stehenden Steinen sei das magische Tor!« Gilles erhob sich aus seinem Sessel. Er stellte das Fernrohr scharf. »Sie treten durch einen Bogen aus Licht, das in allen Farben schillert, und verschwinden.«
»Dieses Tor ist neu!«
Gilles unterdrückte seinen Zorn. Er mochte es nicht, wenn er unpräzise unterrichtet wurde. »Beginne mit deinem Werk.«
»Es geht nicht. Dieses Tor ist zu weit fort. So weit reichen meine Kräfte nicht.«
Gilles hätte das schwere Messingrohr am liebsten auf Honorés Kopf zertrümmert. »Dann los! Was stehen wir noch hier herum? Wir müssen näher heran!«
AM REGENBOGENTOR
Luc war die kleine Fuchsfrau unheimlich. Sie hatte das Tor geöffnet, durch das er mit Gishild und den anderen Überlebenden aus Aldarvik heimgekehrt war. Doch diesmal sollte es an einen anderen Ort gehen. Zur Nachtzinne, der Festung der Trolle hoch im Norden. Dort war man mit allem versorgt, hieß es. Lebensmittel, gespaltenes Holz und Fischtran für die Lampen, die die lange Finsternis des Winters überdauern halfen, waren in großen Mengen vorhanden. Ollowain selbst bezeugte, dort gewesen zu sein und die Lager inspiziert zu haben. Dem Feldherrn der Elfen vertraute Luc wie keinem anderen. Aber was sollte man von einem Weib halten, kleiner als ein Kind und mit einem Fuchskopf auf den Schultern?
Mit eigenen Augen hatte der junge Ritter gesehen, wie sie das Licht aus dem Erdreich hervorbrechen ließ. Wie vibrierende Schlangen in allen Farben des Regenbogens durch Zaubermacht zu einem Tor geformt wurden. Ein goldener Pfad erstreckte sich dahinter durch abgrundtiefe Finsternis.
Luc wusste, dass sie keine Wahl hatten, als der Fuchsfrau zu vertrauen. Und alle, die durch das Tor traten, wussten es ebenso. Er sah Angst und Zweifel in den ausgezehrten Gesichtern. Viele umklammerten Amulette, als sie durch das verwunschene Tor traten. Tränen flossen. Es zerriss einem schier das Herz zuzusehen. Aber sie konnten nicht bleiben. Spätestens wenn die Mörser zu schießen begannen, gab es für sie hier keinen Schutz mehr. Diese kleinen, gedrungenen Geschütze mit den zum Himmel gerichteten Rohren schleuderten ihre Sprengkugeln in steilem Bogen über die Wälle. Selbst erfahrene Kanoniere wussten nur ungefähr zu sagen,
wo die Kugeln landeten. Und explodierten sie, zerrissen Eisensplitter jeden in der Nähe.
Die Flüchtlinge hatten auf den Wiesenstreifen zwischen den Erdwällen und in den Gräben gelagert. Manche waren schon zum Anfang des Sommers gekommen und hatten bis weit in den Herbst dort ausgeharrt. Unter Zeltplanen hatten sie im Schlamm gesessen. Kälte und Nässe hatten sie siechen lassen. Ihr Vieh hatten sie in ihrer Not längst geschlachtet. Mehr und mehr verwandelten sich die Streifen zwischen den Gräben in stinkende Kloaken. Selbst die Elfen mit ihrer Zaubermacht hatten in den letzten Wochen kaum noch helfen können. Schmutzig und abgerissen waren jene, die im Freien gehaust hatten. Doch nicht viel besser war es den Menschen in den festen Häusern ergangen. Verwandte und Freunde hatten die Häuser überfüllt. Und bald wusste niemand mehr, wo er das tägliche Brot hernehmen sollte.
Die große Mehrheit des Volkes war bei Haus und Hof geblieben. Ungezählte hatten den alten Göttern abgeschworen. Doch die Zahl derer, die Gishild
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