Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
den Kopf.
DER WILLE DES KÖNIGS
Luc stand am Eingang zum Schacht, der in steilem Gefälle in die Tiefe führte. Er fühlte sich unwohl. Gishild war als Erste an der Seite des Kobolds Brandax hinabgestiegen. Sie wollte allen zeigen, dass keine Gefahr bestand. Er wünschte, er wäre so mutig wie sie.
Nach und nach verschwanden die letzten Bewohner der Stadt im Tunnel. Alle, die nicht den leichteren Weg durch das Regenbogentor geschafft hatten, und diejenigen, die damals nicht hatten gehen wollen. Es würden nur drei- oder vierhundert zurückbleiben, um sich auf Wohl oder Wehe den Belagerern auszuliefern. Die Mehrheit wollte lieber nicht auf ihre Gnade hoffen. Es waren fast tausend, die dort hinabstiegen, und noch einmal genauso viele Kämpfer: eine bunt durcheinandergewürfelte Schar aus bewaffneten Bauern, Mandriden, Söldnern, den Leibwachen verschiedener Jarls und einer großen Schar Albenkinder. Allein etwa dreihundert Elfen waren dabei, mehr als hundert Trolle, etliche Kentauren und Kobolde. Aber auch so seltsame Geschöpfe wie Stiermänner und Faunen oder Blütenfeen. Sie alle hatten hier bei Gishild ausgeharrt und auf ein Wunder gehofft.
Gerade die Fjordländer hatten bis zuletzt daran geglaubt,
dass der legendäre Mandred zurückkehren würde, um alles zum Guten zu wenden. Er war nicht gekommen. So war das mit Legenden eben. Es waren schöne Gutenachtgeschichten, mehr nicht.
Irgendwo weinte ein kleines Kind. Für die Kinder und Alten würde der Marsch besonders hart werden. Das Wetter war recht mild für diese Jahreszeit. Aber das Eis auf dem Fjord war noch immer so dick, dass es leicht einen schweren Schlitten trug. Und wie es weiter im Norden, in den Bergen war, wusste niemand zu sagen.
»Luc?«
Erek trat an seine Seite. Er sah den König an. Was wollte er?
»Komm bitte mit mir.«
Der Ritter atmete schwer ein. Was sollte das?
»Bitte.«
Erek hatte einen offenen, ehrlichen Blick. Luc hatte nur Gutes von ihm gehört.
Der König bat ihn kein drittes Mal. Er ging. Luc zögerte, dann folgte er ihm. Er mochte ein Narr sein, aber ein Feigling war er nicht.
Erek brachte ihn hinter einen Bretterverschlag. Eine junge Frau saß dort auf einem Fass und wiegte ein kleines Kind auf den Armen.
»Du kannst jetzt gehen, Sara. Ich nehme ihn. Ich komme gleich nach.«
Die Amme gehorchte, doch nicht, ohne Luc mit argwöhnischem Blick zu mustern.
»Das ist Snorri Erekson.« Der König hielt zärtlich das Kind und stützte dessen Kopf. »Komm, sieh ihn dir an. Ich möchte, dass du Gishilds Sohn kennst.«
Warum sagte er nicht »meinen Sohn«? Luc betrachtete das Kind. Der Kleine war hellwach. Eingetrocknete Milch klebte
in seinem Mundwinkel. Als er ihm einen Finger hinhielt, packte er kräftig zu. Luc war verlegen. Er hatte keine Ahnung von Kindern.
»Er sieht aus wie du«, brachte er schließlich hervor. Zwar fand er nicht, dass es stimmte, aber alle behaupteten es.
»Ich weiß.« Erek lächelte traurig. »Nimm ihn einmal auf den Arm.«
Luc war völlig überrumpelt. Das war das Letzte, womit er gerechnet hätte. »Das kann ich nicht.«
»Unsinn, jeder kann das. Du musst nur aufpassen, dass du seinen Kopf abstützt.«
Schließlich gab er nach. Er war so leicht. Luc hatte Angst, das Kind zu fest zu halten. Und zugleich hatte er Sorgen, Snorri fallen zu lassen, wenn er ihn nicht fest genug hielt. Er setzte sich auf das Fass. Der Kleine sah ihn an. Er hatte Gishilds Augen. Luc musste schlucken.
»Ich möchte, dass du mir jetzt schwörst, dass du immer gut auf ihn achten wirst.« Die Stimme des Königs zitterte leicht, als er sprach.
»Was hast du vor?«
»Gishild liebt dich. Ich spüre es jedes Mal, wenn sie mich ansieht. Ich habe dich von ihr ferngehalten, seit ihr aus Aldarvik zurück seid. Mehr als ein Jahr ist seitdem vergangen. In der ganzen Zeit hat sie nicht zugelassen, dass ich sie berühre. Dir ist gewiss genauso klar wie mir, dass wir ohne Kämpfe nicht davonkommen werden. Wir müssen es bis fast zur Nachtzinne schaffen, wenn wir durch einen Albenstern fliehen wollen. Ich werde in dieser Zeit in der Nachhut sein. Ich lege mein Leben in die Hand der Götter. Sollte mir etwas geschehen, dann wünsche ich, dass du Snorri stets so behandelst, als wäre er dein eigener Sohn.«
»Dir wird nichts passieren. Du musst auf dich achtgeben …«
»Von einem Elfenritter lasse ich mir keine Befehle geben, Luc. Ich bin der König. Auch wenn es das Verdienst einer Schar alter, verzweifelter Männer war, mich auf
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