Das Flammende Kreuz
Mundes.
»Ich habe Soldaten gepflegt. Sie hatten alle Angst.« Ich lächelte traurig. »Diejenigen, die schon einmal unter Beschuss gewesen waren, erinnerten sich daran, und diejenigen, die es noch nicht erlebt hatten, stellten es sich vor. Aber es waren die Offiziere, die nachts nicht schlafen konnten.«
Ich fuhr geistesabwesend mit dem Daumen über die unregelmäßige Oberfläche des Küchleins. Sie war leicht fettig vom Schmalz.
»Ich habe einmal bei Jamie gesessen, als er nach der Schlacht von Preston einen seiner Männer im Arm hielt, der im Sterben lag. Und er hat geweint. Er kann sich gut daran erinnern. Er erinnert sich nicht an Culloden - weil er es nicht ertragen kann.« Ich blickte auf den frittierten Teigklumpen in meiner Hand und pickte mit dem Daumennagel an den verbrannten Stellen herum.
»Ja, du hast ihm Angst gemacht. Er will nicht um dich weinen. Und ich auch nicht«, fügte ich leise hinzu. »Mag sein, dass es jetzt noch nicht zum Kampf kommt, aber wenn es so weit ist, pass auf dich auf, ja?«
Es folgte eine lange Pause. Dann sagte er leise »Ja«. Er stand auf und ging, und seine Schritte verhallten schnell auf dem feuchten Boden.
Die anderen Lagerfeuer brannten hell, und die Nacht schritt voran. Noch suchten die Männer die Gesellschaft ihrer Verwandten und Freunde, und jede der kleinen Gruppen saß um ihr eigenes, kleines Feuer herum. Im Verlauf des Weges würden sie allmählich zusammenwachsen, das wusste ich. In ein paar Tagen würden wir ein großes Feuer haben, und alle würden sich in einem großen Lichtkreis sammeln.
Jamie hatte keine Angst vor dem, was Roger ihm erzählt hatte, dachte ich - sondern vor dem, was er selbst wusste. Es gab zwei Möglichkeiten für einen guten Offizier: sich vor Sorge um seine Verantwortlichkeiten zu zerreißen - oder sich von den Umständen zu Stein erhärten zu lassen. Das wusste er.
Und was mich betraf... auch ich war nicht völlig ahnungslos. Ich hatte zwei Soldaten geheiratet - beide Offiziere, denn auch Frank war einer gewesen. Ich war Krankenschwester und Heilerin gewesen, auf den Schlachtfeldern zweier Kriege.
Ich kannte die Namen und die Daten der Schlachten; kannte den Geruch des Blutes. Und den von Erbrochenem und entleerten Därmen. Ein Feldlazarett sieht die zerschmetterten Glieder, die aufgeplatzten Bäuche, die Knochensplitter... doch es sieht auch Männer, die nie eine Waffe erhoben haben, aber dennoch dort gestorben sind, am Fieber und am Schmutz, an Krankheit und Verzweiflung.
Ich wusste, dass Tausende an den tödlichen Wunden zweier Weltkriege gestorben waren; ich wusste, dass Aberhunderttausende dort durch Infektionen und Seuchen umgekommen waren. Es würde jetzt nicht anders sein - und in vier Jahren ebenso wenig.
Und das machte mir in der Tat große Angst.
Am nächsten Abend schlugen wir unser Lager in den Wäldern des Balsam Mountain auf, etwa eine Meile oberhalb einer Siedlung namens Lucklow. Einige der Männer hätten den Weg gern noch bis zu einem Örtchen namens Brownsville fortgesetzt. Brownsville war der äußerste Punkt unseres Weges, bevor wir uns wieder Richtung Salisbury zurück wandten, und möglicherweise
gab es dort ein Wirtshaus - oder wenigstens eine gastliche Scheune zum Übernachten - , doch Jamie hielt es für besser zu warten.
»Ich will den Leuten da unten keinen Schrecken einjagen«, hatte er Roger erklärt, »indem ich nach Anbruch der Dunkelheit mit einem Trupp Bewaffneter in den Ort reite. Besser, wenn wir unser Anliegen bei Tageslicht vortragen und den Männern dann einen Tag - und eine Nacht - Zeit lassen, sich zum Aufbruch fertig zu machen.« Dann hatte er inne gehalten und so heftig gehustet, dass seine Schultern bebten.
Mir gefiel weder Jamies Aussehen noch die Art, wie er sich anhörte. Er hatte das fleckige Aussehen einer verschimmelten Quiltdecke, und als er zum Feuer kam, um sich seine Suppenschüssel zu füllen, hörte ich bei jedem Atemzug ein schwaches Pfeifen. Den meisten anderen Männern ging es auch nicht anders; fast alle hatten rote Nasen und husteten, und alle paar Sekunden knallte und zischte es, wenn sich jemand hustend vom Schleim befreite und ihn in das Feuer spuckte.
Am liebsten hätte ich Jamie ins Bett gesteckt, ihm einen heißen Pflasterstein an die Füße gelegt, ihm einen Senfwickel auf die Brust gepackt und ihm einen Tee aus Pfefferminze und Ephedrablättern zu trinken gegeben. Da er aber nur mit Kanonen, Fußeisen und der Hilfe mehrerer bewaffneter Männer dorthin
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