Das Flammende Kreuz
eine Geschichte erzählt, die sie einmal gelesen hat. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, aber es ging um einen Mord. Nur, dass der Ermordete ein Bösewicht war, der jemanden zu der Tat getrieben hatte. Und als am Ende der Erzähler gefragt wurde, was zu tun sei, sagte er, >Lasst Gottes Gerechtigkeit walten.‹«
Ich nickte. Ich war ganz dieser Meinung, obwohl ich es ein wenig hart für die Person fand, von der verlangt wurde, dass sie als Instrument dieser Gerechtigkeit fungierte.
»Meinst du, das ist es in diesem Fall gewesen? Gerechtigkeit?«
Er schüttelte den Kopf; nicht als Verneinung, sondern aus Unsicherheit, und grub dann weiter. Ich sah ihm eine Weile dabei zu und ließ mich von seiner Nähe und dem hypnotischen Rhythmus seiner Bewegungen trösten. Nach einiger Zeit raffte ich mich jedoch auf und stählte mich für die Aufgabe, die mich erwartete.
»Ich denke, ich gehe wohl besser und mache die Leiche zurecht und räume auf dem Speicher auf«, sagte ich widerstrebend und zog meine Füße unter mich, um mich zu erheben. »Wir können die arme Frau nicht mit einem solchen Schlamassel allein lassen, ganz gleich, was sie getan hat.«
»Nein, warte, Sassenach«, sagte Jamie und hielt mit dem Graben inne. Er warf einen etwas argwöhnischen Blick auf das Haus. »Ich gehe gleich mit dir
hinein. Aber zuerst -« Er wies mit dem Kopf zum Waldrand. »Meinst du, du kannst ein paar Steine für den Grabhügel holen?«
Ein Grabhügel? Das überraschte mich nun doch sehr; es schien mir eine unnötige Mühe für den verstorbenen Mr. Beardsley zu sein. Dennoch, es gab zweifellos Wölfe im Wald; ich hatte vor zwei Tagen ihren Kot auf dem Pfad gesehen. Außerdem kam mir der Gedanke, dass Jamie mir damit eine ehrenvolle Entschuldigung lieferte, um das Betreten des Hauses aufzuschieben - und in diesem Fall schien mir das Steineschleppen eine ausgesprochen attraktive Alternative zu sein.
Glücklicherweise herrschte kein Mangel an geeigneten Steinen. Ich holte die schwere Leinenschürze, die ich bei Operationen trug, aus meiner Satteltasche, und begann, hin und her zu pendeln wie eine Ameise, die mühselig Krümel sammelt. Nachdem ich etwa eine halbe Stunde damit zugebracht hatte, war mir der Gedanke, das Haus zu betreten, schon sehr viel weniger unangenehm. Jamie grub immer noch unverwandt weiter, also fuhr auch ich fort.
Schließlich hielt ich keuchend inne und lud eine weitere Schürzenladung neben dem tiefer werdenden Grab auf dem Boden ab. Die Schatten fielen lang über den Hof, und die Luft war so kalt, dass meine Finger taub geworden waren - was angesichts der diversen Kratzer und Schrammen auch gut so war.
»Du siehst fürchterlich aus«, bemerkte ich und schob mir selbst die zerzausten Haare aus dem Gesicht. »Ist Mrs. Beardsley inzwischen zum Vorschein gekommen?«
Er schüttelte den Kopf, brauchte aber ein paar Sekunden, um wieder zu Atem zu kommen, bevor er antwortete.
»Nein«, sagte er so heiser, dass ich ihn kaum hören konnte. »Sie ist immer noch bei den Ziegen. Wenigstens ist es dort warm.«
Ich betrachtete ihn beklommen. Ein Grab zu schaufeln, ist harte Arbeit; das Hemd klebte ihm am Körper, trotz des kalten Tages schweißdurchtränkt, und sein Gesicht war vor Anstrengung rot angelaufen. Doch seine Finger waren weiß und genauso steif wie meine; es kostete ihn sichtlich Anstrengung, sie vom Griff der Schaufel zu lösen.
»Das ist doch bestimmt tief genug«, sagte ich und überblickte sein Werk. Ich selbst hätte mich mit einer flachen Mulde in der Erde begnügt, aber Schlamperei lag Jamie nicht. »Hör auf, Jamie, und zieh dir sofort ein anderes Hemd an. Du bist nass zum Auswringen; du wirst dich fürchterlich verkühlen.«
Er machte sich nicht die Mühe, mir zu widersprechen, sondern ergriff den Spaten und glättete sorgsam die Ecken des Loches und formte die Kanten so, dass sie nicht zu bröckeln begannen.
Unter den Kiefern wurde der Schatten jetzt undurchdringlich, und die Hühner hatten sich zum Schlafen begeben, Federbälle, die wie braune Mistelknäuel
in den Bäumen hockten. Auch die Vögel im Wald waren verstummt, und der Schatten des Hauses fiel lang und kalt über das frische Grab. Ich schlang die Arme um mich selbst und erschauerte, weil es so still war.
Jamie warf die Schaufel mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden, und ich schrak auf. Er kletterte aus dem Loch und blieb eine Minute mit geschlossenen Augen stehen. Er schwankte vor Erschöpfung. Dann öffnete er die Augen
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