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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und lächelte mir müde zu.
    »Dann lass es uns zu Ende bringen«, sagte er.
     
    Ob es die offene Tür tatsächlich dem Geist des Verstorbenen ermöglicht hatte zu entfleuchen oder ob es nur daran lag, dass Jamie bei mir war - jedenfalls zögerte ich jetzt nicht mehr, das Haus zu betreten. Das Feuer war ausgegangen, und in der Küche war es kalt und düster, doch ich hatte nicht das Gefühl, dass sich etwas Böses darin aufhielt. Sie war einfach nur leer.
    Mr. Beardsleys sterbliche Überreste ruhten friedlich unter einer der Decken aus seinem Warenlager, stumm und ruhig. Und ebenfalls leer.
    Mrs. Beardsley hatte sich geweigert, uns bei den Formalitäten zu helfen - oder das Haus auch nur zu betreten, solange sich die Leiche ihres Mannes noch darin befand -, also fegte ich den Herd und entzündete ein neues Feuer, das sich widerstrebend zum Brennen überreden ließ, während sich Jamie um den Schmutz auf dem Speicher kümmerte. Als er wieder herunterkam, hatte ich mich an meine Hauptaufgabe gemacht.
    Jetzt, wo er tot war, sah Beardsley sehr viel weniger grotesk aus als im Leben; die verzerrten Gliedmaßen waren entspannt, und er sah nicht mehr so aus, als führte er einen panischen Kampf. Jamie hatte ihm ein Leinenhandtuch über den Kopf gelegt, doch als ich einen Blick darunter warf, konnte ich sehen, dass sich nichts Schleimiges oder Unappetitliches darunter verbarg; Jamie hatte ihn sauber durch das blinde Auge erschossen, und die Kugel hatte den Schädel nicht zersprengt. Das gesunde Auge war jetzt geschlossen, die geschwärzte Wunde starrte mich offen an. Ich legte ihm das Tuch sanft wieder über das Gesicht, dessen Symmetrie im Tod wieder hergestellt war.
    Jamie kam die Leiter herunter, stellte sich leise hinter mich und berührte kurz meine Schulter.
    »Geh dich waschen«, sagte ich und wies hinter mich auf den kleinen Wasserkessel, den ich zum Erhitzen über das Feuer gehängt hatte. »Ich komme hier schon zurecht.«
    Er nickte, zog sein nasses, schmutziges Hemd aus und warf es ins Feuer. Ich lauschte den leisen, vertrauten Geräuschen, die er beim Waschen machte. Dann und wann hustete er, aber das Atmen schien ihm hier weniger Schwierigkeiten zu bereiten als draußen in der Kälte.
    »Ich wusste nicht, dass es so sein kann«, sagte er hinter mir. »Ich dachte, ein Schlaganfall bringt einen Mann auf der Stelle um.«

    »Manchmal«, sagte ich ein wenig geistesabwesend, stirnrunzelnd auf meine Arbeit konzentriert. »Es ist sogar meistens so.«
    »Aye? Ich bin nie auf den Gedanken gekommen, Dougal oder Rupert zu fragen. Oder Jenny. Ob mein Vater...« Der Satz brach abrupt ab, als hätte er ihn verschluckt.
    Ah. Die Erkenntnis traf schlagartig meinen Solar Plexus. Das war es also. Ich hatte nicht mehr daran gedacht, aber er hatte es mir vor Jahren erzählt, kurz nach unserer Hochzeit. Sein Vater hatte mit angesehen, wie man ihn in Fort William auspeitschte, und hatte kurz danach einen tödlichen Schlaganfall erlitten. Jamie war verletzt und krank aus dem Fort befreit worden und ins Exil gegangen. Er hatte erst Wochen später vom Tod seines Vaters erfahren - hatte keine Chance gehabt, Abschied zu nehmen, hatte seinen Vater weder begraben noch seinem Grab seinen Respekt zollen können.
    »Jenny müsste es doch gewusst haben«, sagte ich sanft. »Sie hätte es dir gesagt, wenn...« Wenn Brian Fraser einen solch langgezogenen Tod der Würdelosigkeit gestorben war, ein Schatten seiner selbst, machtlos vor den Augen der Familie, die zu schützen er bemüht gewesen war?
    Hätte sie das? Wenn sie ihren Vater in Inkontinenz und Hilflosigkeit gepflegt hätte? Wenn sie tage- oder wochenlang gewartet hätte, plötzlich des Vaters und des Bruders beraubt, allein gelassen, dem Tod ins Auge zu schauen, der Sekunde um endlose Sekunde näher kam... und doch war Jenny Fraser eine sehr starke Frau, die ihren Bruder über alles liebte. Vielleicht hätte sie versucht, ihn zu schützen - vor der Schuld und auch vor dem Wissen.
    Ich drehte mich zu ihm um. Er war jetzt halb nackt, aber sauber, und hatte ein frisches Hemd aus der Satteltasche in den Händen. Sein Blick war auf mich gerichtet, aber ich sah, wie seine Augen an mir vorbeihuschten, um sich voll verstörter Faszination an die Leiche zu heften.
    »Sie hätte es dir gesagt«, wiederholte ich und bemühte mich, meiner Stimme einen überzeugten Tonfall zu verleihen.
    Jamie holte tief und schmerzhaft Luft.
    »Vielleicht.«
    »Doch«, sagte ich mit mehr Bestimmtheit.
    Er nickte,

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