Das Flammende Kreuz
war still im Studierzimmer. Das Geräusch der Stimmen in der Küche war zu einem Murmeln abgeflaut, als hätten sich die Geister der Vergangenheit dort eingefunden, um leise lachend zu trinken und in Erinnerungen zu schwelgen.
»Das war es also, was du gemeint hast«, sagte ich leise. »Als du gesagt hast, dass du deinen Frieden mit Dougal geschlossen hast.«
»Aye.« Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und streckte seine Hände aus, die sich warm um meine Handgelenke legten. »Er hatte nämlich Recht. Es konnte nur einer überleben, und irgendwann wäre es so oder so dazu gekommen.«
Ich seufzte, und mir fiel eine kleine Bürde der Schuld von den Schultern. Jamie hatte mit Dougal gekämpft, um mich zu verteidigen, als er ihn umgebracht hatte, und ich hatte stets das Gefühl gehabt, dafür verantwortlich zu sein. Doch Dougal hatte Recht; es stand zu viel zwischen ihnen, und wäre es nicht damals, am Vorabend von Culloden, zu jenem letzten Konflikt gekommen, so wäre es ein andermal geschehen.
Jamie drückte meine Handgelenke und drehte sich auf seinem Stuhl um, ohne meine Hände loszulassen.
»Lass die Toten die Toten begraben«, sagte er leise. »Die Vergangenheit ist vorbei - die Zukunft noch nicht da. Und wir sind hier und jetzt zusammen, du und ich.«
36
Unsichtbare Welten
Der Haushalt war still; es war die perfekte Gelegenheit für meine Experimente. Mr. Bug war nach Woolam’s Mill gefahren und hatte die Zwillinge mitgenommen; Lizzie und Mr. Wemyss halfen Marsali beim Ansetzen der neuen Maische, und Mrs. Bug hatte mir einen Teller Toast und Porridge in der Küche stehen gelassen und war ebenfalls unterwegs, um die Wälder nach den halb wilden Hennen zu durchkämmen, eine nach der anderen zu fangen
und an den Füßen in den prächtigen, neuen Hühnerstall zu schleifen, den ihr Mann gebaut hatte. Brianna und Roger kamen manchmal zum Frühstück zu uns herauf, doch meistens aßen sie am eigenen Herd, so auch heute Morgen.
Ich genoss den Frieden des leeren Hauses und machte mir ein Tablett mit einer Tasse, der Teekanne, Sahne und Zucker zurecht und nahm es zusammen mit meinen Materialien mit in das Sprechzimmer. Das Licht des frühen Morgens war perfekt und strömte golden leuchtend zum Fenster herein. Ich ließ den Tee ziehen, holte ein paar kleine Glasflaschen aus dem Schrank und ging nach draußen.
Der Tag war kühl, aber schön, und der klare, blasse Himmel verhieß für den späteren Vormittag ein wenig Wärme. Doch momentan war es so kalt, dass ich froh war, mein warmes Schultertuch dabei zu haben, und das Wasser in der Pferdetränke war kalt und hatte einen Rand aus zerbrechlichem Eis. Nicht kalt genug, um die Mikroben zu töten, dachte ich; ich konnte die langen Algenstränge sehen, die an den Brettern des Troges wuchsen und sich sanft wiegten, als ich die dünne Eiskruste durchbrach und das Wasser aufwirbelte, indem ich mit einer meiner Flaschen an der schleimigen Wand des Troges entlangfuhr.
Ich entnahm weitere Wasserproben aus dem Brunnen und aus einer stehenden Pfütze in der Nähe des Abortes; dann eilte ich zum Haus zurück, um meine Versuche durchzuführen, solange das Licht noch gut war.
Das Mikroskop stand am Fenster, wo ich es tags zuvor aufgebaut hatte, ganz und gar aus glänzendem Messing und leuchtenden Spiegeln. Es dauerte ein paar Sekunden, die Wassertropfen auf die kleinen Glasscheiben aufzutragen, die ich bereit gelegt hatte, und dann senkte ich den Kopf, um voll gebannter Erwartung durch die Linse zu blicken.
Die leuchtende Ellipse wölbte sich, wurde kleiner, erlosch ganz. Blinzelnd drehte ich die Schraube, so langsam ich konnte, und... da war es. Der Spiegel kam zum Stillstand, und das Licht nahm die Form eines perfekten, blassen Kreises an, Fenster in eine andere Welt.
Ich sah verzaubert zu, wie ein Paramecium mit Hilfe seiner wie verrückt pulsierenden Wimpern eine wilde Hatz auf unsichtbare Beute unternahm. Dann eine sanfte Verschiebung, denn auch mein Blickfeld war in ständiger Bewegung, da der Wassertropfen auf der Glasscheibe mikroskopischen Gezeiten folgte. Ich wartete noch ein paar Sekunden, da ich hoffte, vielleicht ein Exemplar der schnellen, eleganten Euglena zu erspähen oder vielleicht sogar eine Hydra, doch ich hatte kein Glück; nur mysteriöse, schwarzgrüne Partikel, zelluläre Müllhäufchen oder zerplatzte Algenzellen.
Ich schob den Objektträger hin und her, fand jedoch nichts Interessantes mehr. Das war nicht schlimm; ich hatte ja noch genug
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