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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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kühlten mein Gesicht. Er küsste mich auf die Stirn, dann ließ er mich los und führte mich unter die überhängenden Zweige einer großen Hemlocktanne, deren Nadelfächer den Regen abfingen, so dass darunter eine duftende, beinahe trockene Höhle entstand.
    Als der Adrenalinstoß in meinem Kreislauf nachzulassen begann, stellte ich fest, dass wir nicht die ersten Bewohner dieser Zuflucht waren.
    »Schau«, sagte ich und wies in den Schatten. Die Spuren waren schwach, aber unübersehbar: Irgendjemand hatte hier gegessen und einen ordentlichen Haufen kleiner Knochen hinterlassen. So ordentlich war kein Tier. Außerdem gab es auch kein Tier, das sich abgestorbene Nadeln zu einem gemütlichen Kissen zusammenschob.
    Jamie fuhr zusammen, als es erneut donnerte, doch er nickte.
    »Aye, es ist der Posten eines Menschenjägers, obwohl ich nicht glaube, dass er in letzter Zeit benutzt worden ist.«

    »Eines was?«
    »Eines Menschenjägers«, wiederholte er. Hinter ihm blitzte es, und die grelle Lichtfläche hinterließ den Abdruck seiner Silhouette auf meiner Netzhaut. »So nennen sie die Wachtposten; die Krieger, die sich außerhalb des Dorfes aufhalten, um Wache zu halten und zu verhindern, dass jemand unbeobachtet eindringt. Siehst du?«
    »Im Augenblick sehe ich gar nichts.« Ich tastete mich mit ausgestreckter Hand vor, bis ich seinen Ärmel berührte und mich blind in seine schützende Umarmung begeben konnte. Ich schloss die Augen, um mein Sehvermögen wiederherzustellen, konnte es aber auch mit geschlossenen Lidern heftig blitzen sehen.
    Der Donner schien weiter zu wandern oder zumindest seltener zu werden, und ich stellte fest, dass ich wieder sehen konnte. Jamie trat zur Seite und streckte die Hand aus, und ich sah, dass wir auf einer Art Felsvorsprung standen und der Berg in unserem Rücken steil anstieg. Eine kleine Lichtung - offenbar von Menschenhand angelegt, denn andere Lichtungen gab es in diesen Bergen nicht - war durch eine Koniferenreihe vor Blicken von unten abgeschirmt. Durch die Zweige hindurch hatte ich jedoch eine atemberaubende Aussicht auf das Tal, in dem Ravenstown lag.
    Der Regen hatte nachgelassen. Von unserem hohen Aussichtspunkt aus konnte ich sehen, dass die Wolken nicht zu einem Gewitter gehörten, sondern zu mehreren; an mehreren Stellen fiel dunkler Regen aus den Wolken, als hingen graue Samtschleier von ihnen herab, und gezackte Blitzgabeln durchstachen unvermittelt lautlos den schwarzen Himmel über den fernen Gipfeln, gefolgt von grollendem Donner.
    Über dem Röhricht stieg nach wie vor Rauch auf, eine flache, blassgraue Krone, die vor dem dunklen Himmel fast weiß aussah. Selbst in dieser Höhe biss uns noch der Brandgeruch in die Nase und verschmolz mit dem Geruch des Regens zu einer merkwürdigen Mischung. Hier und dort konnte ich Flammen zwischen den Pflanzen aufflackern sehen, doch es war unübersehbar, dass das Feuer weitgehend verloschen war; der nächste Regenschauer würde es ganz ertränken. Ich konnte auch sehen, dass die Leute in das Dorf zurückkehrten. Sie kamen in kleinen Gruppen aus dem Wald, ihre Bündel und Kinder im Schlepptau.
    Ich hielt nach Reitern Ausschau, sah aber keine, schon gar keine mit roten Haaren. Aber Brianna und Jemmy konnte doch nichts zugestoßen sein? Ich erschauerte plötzlich; veränderlich, wie das Wetter in den Bergen nun einmal war, hatte sich die Luft in weniger als einer Stunde von einer drückenden Decke in einen Kühlschrank verwandelt.
    »Geht es, Sassenach?« Jamies Hand legte sich warm auf meinen Hals, und seine Finger massierten sacht die verspannte Schräge meiner Schultern. Ich holte tief Luft und entspannte sie, so gut ich konnte.
    »Ja. Meinst du, wir können schon gefahrlos hinunterreiten?« Ich konnte
mich nur daran erinnern, dass der Pfad eng und steil war; jetzt würde er schlammig sein, das abgestorbene, nasse Laub würde schlüpfrig sein.
    »Nein«, sagte er, »aber ich glaube nicht -« Er hielt abrupt inne und runzelte nachdenklich die Stirn, während er abschätzend zum Himmel blickte. Er sah sich um; ich konnte gerade eben die Umrisse der Pferde sehen, die zusammen unter dem Baum standen, an den ich Judas gebunden hatte.
    »Ich wollte sagen, ich glaube auch nicht, dass es besonders sicher ist, wenn wir hier bleiben«, sagte er schließlich. Während er überlegte, klopften seine Finger sanft trommelnd wie Regentropfen auf meine Schulter.
    »Aber das Gewitter zieht schnell weiter; man kann die Blitze über den Berg kommen

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