Das Fliederbett
sangen, jauchzten und lachten. Wir rieben uns gegenseitig das Gesicht mit Schnee ein, und ich küßte Lolas
Schneemund. Er war frisch und rein, so daß ich es wiederholen mußte.
»Jetzt können wir alles tun, wozu wir Lust haben«, sagte Lola und öffnete die Tür zum Lufthof.
Wir schlichen uns an der Frau mit dem Fleisch in der Küche vorbei und wieder durch die schmalen, dunklen Gänge.
»Ich finde, wir sollten uns umziehen«, sagte Lola. »Als wenn wir ausgehen wollten, und dann sehen wir uns in einer Viertelstunde. Ist das den Herren recht?«
Es war ihnen recht, und Björn pfiff Whenyou wish upon a star und verdrehte die Augen, bevor er in sein Zimmer rannte.
Ich suchte meinen grauen Flanellanzug hervor, der jetzt zerknittert war. Ich hatte ihn auf der ganzen Tournee ein einziges Mal angehabt; es hatte einfach an Gelegenheit dazu gefehlt. Dann wusch ich mich, seifte den ganzen Körper ein und fühlte, wie das Herz Ding-dong in der Brust machte. Ich fand, daß ich ganz gut aussah, und ich klopfte bei Lola an.
»Donnerwetter, das ging schnell«, sagte sie. »Was sagst du?«
Ich sah sie an. Sie trug ein wunderbares Kleid in hellem Ocker, das ich noch nie gesehen hatte. Es war wie Haut, und das dunkle Haar hatte sie leicht und luftig gebürstet. Ihr Gesicht war ausgeruht und ruhig, und ich mußte unwillkürlich ihre Lippen küssen. Ihre Schönheit stieg wie eine Hyazinthe unmittelbar aus der schwarzen Erde auf, sie verbreitete ihren Duft und ihre Farbe über den schäbigen, feuchtfleckigen Raum. Sie leuchtete wie eine Fackel, und das Zimmer verlor seine fettige, schmutzige Oberflächenhaut, und die Gegenstände um Lola herum funkelten wie Edelsteine: Tisch, Stühle, Bett, Decken, Bilder — alles veränderte sein Aussehen unter ihrer Zauberkraft. Dreckige Ölgemälde mit Birken und dem kleinen Ruderboot an einem bewegten See wurden zu leichtfertigen Stichen mit Hirten und Hirtinnen in anmutigem Liebesspiel. Das Bett war ein Lager aus Mimosen und Weiden, und dort würden wir ruhen, mit ihren weichen Brüsten im Mund, und uns nach Erlösung sehnen.
Wir würden ihre Befreier sein, ihre Hengste, und noch nie bin ich so nahe daran gewesen zu wiehern, wie in diesem Augenblick. Sie würde es sicher nicht übelgenommen haben, jetzt waren wir offen, es gab keine Mauern mehr niederzureißen. Sie waren zerbröckelt, es war nichts mehr von ihnen übrig.
Björn klopfte an und kam herein. War von ihrer Schönheit und Harmonie genauso ergriffen wie ich. Stand eine Weile wie angenagelt und konnte keinen andern Ruheplatz für seine Augen finden.
Lola machte das elektrische Licht aus und zündete ein paar kleine Kerzenstümpfe an, die wir im Hotel in Vittangi gestohlen hatten.
Wir setzten uns um den Tisch. Sahen sehr feierlich aus in unsern Festkleidern, als wären wir Konfirmanden oder zum ersten Ball herausgeputzt. Wie auf Kommando brachen wir in Gelächter aus und hatten das Bedürfnis zu reden.
»Wir sind ganz schön albern, was?« sagte Lola. »So teuflisch verantwortungslos habe ich immer sein wollen, davon habe ich von jeher geträumt. Aber ich hatte nie die Möglichkeit dazu, und außerdem glaube ich auch nicht, daß ich den Mut dazu besessen hätte... bisher.«
»Aber hast du daran gedacht?« fragte ich und fühlte die Spannung vom Abend vorher, als Lola von den Spielen ihrer Kindheit erzählt hatte. Ich wollte, daß sie weitererzählte. Ich wollte von der saugenden Sehnsucht und der Begierde aufgestachelt werden, die sie durch die langsame Art und Weise in mir erweckte, in der sie von ihrem Leben, ihren Träumen erzählte.
Wir wechselten über auf das Bett und setzten uns schön nebeneinander, eins, zwei drei.
»Ich denke fast immer daran«, antwortete sie leise. »Zu Anfang hatte ich vor meinen Gedanken Angst, aber dann entspannte ich mich und ließ sie fliegen, wohin sie wollten. Aber ich fühlte mich einsam mit diesen Träumen. Benjamin genügte nicht... konnte nicht... nein, ich will nicht an ihn denken... «
Wir saßen still da, und Björn streichelte ihre Schenkel. Sie bebte ganz leicht, als er sich der weichen Scham näherte, die unter der weichen Kleiderhaut lag und in warmer Erwartung klopfte. Ich beugte mich über das Bett und liebkoste ihre Brüste, während ich sie dauernd bat, etwas zu sagen. Ich flehte ihre Lippen an, all die Worte zu sagen, die zum Bersten reizen.
»Du mußt reden«, flüsterte ich. »Woran hast du gedacht, wenn du mit deinem Benjamin ins Bett gingst...«
Sie zögerte kurz
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