Das Fliederbett
schonte mich tatsächlich nicht. Stets und ständig lag ich in den Sielen, schuftete und wütete mit den Muschkoten. Antreten und Appell den ganzen Tag über. Der alte, preußische Drill wurde meine Lebensluft, Griffekloppen meine Spezialität, Laufschritt und Ex 1 liebte ich. Ich legte mir eine Kondition zu, die dem Rekruten, der direkt aus der Fabrik oder von der Schulbank kam, meist imponierte. Selbst hielt ich immer die Spitze, schonte mich nicht, war ein Vorbild für meine Offizierskameraden. Mein Kompaniechef war mäßig am Außendienst interessiert. Er wartete bloß auf seine Pensionierung. In Wirklichkeit war ich es, der einfache, aber sagenhaft tüchtige Zugführer, der die Ausbildung der Kompanie leitete. Ich widmete meine ganze Freizeit der Planung kommender Übungen, abends erkundete ich das Gelände und suchte strapazenreiche Marschrouten aus, auf denen die Männer es extra anstrengend haben würden. Ich führte den Umbau einer Hindernisbahn durch, auf der die Rekruten sich todmüde laufen konnten. Ich verlangte von jedem Mann, daß er einmal in der Woche mit vollem Sturmgepäck zehn Kilometer lief. Wenn wir während der Manöver biwakierten, lehnte ich es ab, im Zelt zu schlafen. Und wenn es richtig goß, wickelte ich mich bloß in meinen Mantel und legte mich unter eine Tanne. Jetzt, hinterher, verstehe ich, daß ich unter einem inneren Zwang handelte. Von höherem Ort erhielt ich nach bemerkenswerten Marschleistungen mit meiner Kompanie Belobigungen. Die Mannschaft sah zu mir auf, obwohl ich sie schlimmer quälte als ihre Eltern oder Lehrer je zuvor.
Ich war pedantisch.
Meldung und Disziplinarstrafe beim geringsten Vergehen. Meine Kollegen sahen mein Wüten im Regiment erst mit einer gewissen Skepsis, dann mit arrogantem Zynismus, um schließlich meine Gesellschaft in der Freizeit ein wenig entsetzt zu meiden. Sie widmeten sich ausschließlich ihren Bekanntschaften mit dem anderen Geschlecht. Ich selbst aber war in diesem Punkt unerhört gehemmt. In blinder Raserei versuchte ich, meine Hormone gleichsam zu fesseln und so was kann ich Ihnen nicht empfehlen, meine Herren! Das sollte so nach und nach seine verhängnisvollen Folgen zeigen.
Ich glaube, es war im Herbst.
Wir hatten eine schwere Bataillonsübung mit Einquartierung gehabt, übrigens ganz in der Nähe hier, und waren auf dem Rückmarsch zum Regiment. Wir waren gezwungen, das letzte Stück durch die Stadt zu marschieren, eine Sache, die ich immer gehaßt habe.
Wie dem auch sei, die Kompanie war müde, aber die Stimmung keineswegs schlecht. Die Mannschaft ahnte bereits die Freuden des Ausgangs, und verschwitzt, aber ziemlich zufrieden marschierte sie die Drottningsgata entlang. Ich war an der Spitze der Kompanie und starrte ab und zu wütend auf die Zivilisten, die an den Straßenecken herumstanden oder aus den Fenstern längs der Straße auf uns glotzten. Im Vorbeimarschieren sah ich die altbekannten Geschäfte, Warenhäuser und Restaurants.
Plötzlich erstarrte ich wortwörtlich am ganzen Körper. Dort, wo ich gewohnt war einen Antiquitätenladen zu sehen, erblickte ich ein völlig anderes Bild: ein groß aufgemachtes Schaufenster mit einer leuchtenden Neonlichtreklame, die das Wort >Boutique Intime< bildete. Ich schluckte ein paarmal und mir wurde ganz warm. In raffinierter Weise stellte man im ganzen Fenster die delikateste Damenwäsche aus. Unterwäsche in den verschiedensten Materialien, in exklusiven Formen und Farben, Schlüpfer in Rosa, Weiß, Schwarz und Meerblau, Strumpfhaltergürtel mit den genialsten Befestigungen für die Strümpfe, Büstenhalter aus durchbrochener, schwarzer Spitze, die leckersten Unterröcke mit den allerverführerischsten Stickereien. Kleine, niedliche Kleidungsstücke für die Allerjüngsten, stabilere Sachen für das vorgerückte Alter.
Ich starrte wie verhext auf die ausgestellten Delikatessen und empfand eine merkwürdige, dumpfe Unruhe, die ich seit langem nicht gespürt hatte. Das Wochenende über war ich vollständig verwirrt. Unser ganzes Regiment erschien mir ziemlich absurd. Ich ging in die Sauna und rieb mich mehrmals kalt ab, las drei neuerschienene Bücher über die Taktik des Nachtgefechts, kochte schwachen Fliedertee und hörte mir allgemeinbildende Vorträge im Radio an. Am Samstagabend machte ich sogar einen kurzen Besuch im Soldatenheim, dem am wenigsten erregenden Milieu, das ich kenne. Aber nichts half. Meine Pulse klopften, und das Blut jagte mit einer Geschwindigkeit durch die
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