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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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werden, entweder, um daraus die täglichen Mahlzeiten zuzubereiten, oder um sie sauer einzulegen oder sie zu Eingemachtem zu verarbeiten. Waren diese täglich anfallenden Arbeiten erledigt, fand sich auf dem Hof immer noch etwas, das ausgebessert oder instand gesetzt werden musste.
    Lediglich bei den gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten waren Renna und Harl eine Zeit lang zusammen, aber gesprochen wurde nur wenig. Renna achtete darauf, sich nicht zu tief herunterzubeugen, wenn sie das Essen servierte und später den Tisch abräumte. Harl gab nie zu erkennen, dass er sie mit anderen Augen betrachtete als sonst, aber je mehr Zeit verging, umso reizbarer wurde er.
    »Beim Schöpfer, tut mir der Rücken weh«, jammerte er eines Abends beim Nachtmahl, als er sich bückte, um sich noch einen Becher aus dem Fass mit Bier vom Torfhügel zu füllen, das Meada ihnen nach der Einäscherung mitgegeben hatte. Renna wusste nicht mehr, wie viele Becher er an diesem Abend schon in sich hineingeschüttet hatte.
    Harl stöhnte vor Schmerzen, und als er versuchte, sich aufzurichten, stolperte er und verschüttete sein Bier. Im Nu war Renna bei ihm, stützte ihn und fing den Becher auf, bevor er ihm aus der Hand fallen konnte. Harl lehnte sich schwer auf Renna, als sie ihn zu seinem Sessel zurückschob.
    Renna und Beni hatten oft Harls schmerzenden Rücken massieren müssen, und ohne nachzudenken fing sie auch jetzt wieder an, seine verspannten Muskeln mit kräftigen, geschickten Fingern zu kneten.
    »Braves Mädchen«, ächzte Harl, schloss die Augen und lehnte sich gegen ihre Hände. »Du warst immer die Beste von euch dreien,
Ren. Ganz anders als deine Schwestern, die sich keinen Deut um ihre nächsten Verwandten scheren. Ich weiß auch nicht, warum du dich so gut gemacht hast, mit diesen beiden untreuen Frauenzimmern als Vorbild.«
    Renna beendete die Massage, doch Harl fasste sie um die Taille und zog sie eng an sich, ehe sie aus seiner Reichweite flüchten konnte. Mit Tränen in den Augen blickte er zu ihr hinauf.
    »Du wirst mich nie im Stich lassen, mein Mädchen, nicht wahr?«, greinte er.
    »Nein, Dad«, antwortete sie. »Natürlich nicht.« Sie drückte ihn kurz, wich dann hastig zurück und lief mit seinem Becher zum Fass, um ihn aufzufüllen.

    In dieser Nacht wachte Renna auf, als etwas krachend gegen ihre Tür knallte. Sie sprang aus dem Bett und zog hastig ihr Kleid über, aber es blieb alles still. Auf Zehenspitzen schlich sie an die Tür, und als sie lauschend ein Ohr an das Holz hielt, hörte sie ein leises Keuchen.
    Vorsichtig hob sie den Riegel an und öffnete die Tür einen Spalt weit; sie sah ihren Vater, der zusammengebrochen am Boden lag, sein Nachthemd vorne fleckig von erbrochenem Bier.
    »Schöpfer, gib mir Kraft«, betete sie, als sie einen Lappen nass machte, um das Erbrochene von Harl und vom Fußboden zu wischen. Danach schleifte sie ihren Vater in seine Kammer, wobei sie ihn halb tragen musste.
    Harl weinte, als sie ihn in sein Bett hievte, und klammerte sich verzweifelt an sie. »Ich will dich nicht auch noch verlieren«, schluchzte er unentwegt. Renna hockte unglücklich auf der Bettkante und hielt ihn in den Armen, während er sich ausweinte, und
als er endlich einschlief, ließ sie ihn los. Sie huschte in ihr Zimmer zurück und verriegelte wieder die Tür.

    Als Renna am nächsten Morgen ins Haus zurückkam, nachdem sie in der Scheune Eier eingesammelt hatte, war Harl gerade dabei, die Tür zu ihrer Kammer aus den Angeln zu heben.
    »Ist die Tür kaputt?«, fragte sie mit heftig pochendem Herzen.
    »Nee«, grunzte Harl. »Ich brauche das Holz, um ein Loch in der Scheunenwand zu schließen. Die Tür ist ohnehin überflüssig geworden. In diesem Zimmer wird kein ehelicher Verkehr mehr stattfinden.« Er hob die Tür an und schleppte sie zur Scheune. Renna blieb wie vom Donner gerührt zurück.
    Den Rest des Tages fühlte sie sich wie ein verängstigtes Tier, und in der Nacht kriegte sie kein Auge zu; all ihre Sinne waren auf den dicken Vorhang gerichtet, der vor der Türöffnung hing.
    Aber weder in dieser noch in der darauffolgenden Nacht oder während der ganzen nächsten Woche sollte sich der Vorhang bewegen.

    Renna war sich nicht sicher, was sie geweckt hatte. Früher in der Nacht hatten Horclinge die Siegel attackiert, doch auf den Lärm folgte eine tiefe Stille, als sie ihre fruchtlosen Angriffe einstellten, um sich eine leichtere Beute zu suchen.
    Das einzige Licht war ein sanfter Schimmer an den

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