Das Flüstern der Nacht
Rändern des Türvorhangs; er stammte von dem Feuer im Gemeinschaftsraum, das im Laufe der Nacht heruntergebrannt war. Er warf einen matten Schein über ihr Bett, doch der Rest ihrer kleinen Kammer war in Dunkelheit getaucht.
Aber Renna wusste instinktiv, dass sie nicht allein war. Ihr Vater war im Zimmer.
Sie zwang sich dazu, ganz still zu liegen, erforschte mit geschärften Sinnen die Finsternis und versuchte sich davon zu überzeugen, dass sie nur träumte. Aber sie konnte seine Bierfahne und den Gestank nach altem Schweiß riechen, und sie hörte sein angestrengtes Atmen. Dielenbretter knarzten, als er einen Fuß vor den anderen setzte. Sie wartete darauf, dass er irgendetwas unternahm, aber er stand einfach nur da und betrachtete sie.
Hatte er das schon öfter getan? Sich in ihr Zimmer gestohlen und sie beim Schlafen beobachtet? Bei dem Gedanken daran wurde ihr übel. Aus Angst, sich zu rühren, lag sie stocksteif da, und nur ihr Blick flackerte zum Vorhang, aber dass ihr in dieser Richtung eine Flucht gelingen würde, war eher unwahrscheinlich. Vom Bett bis zur Tür waren es vier Schritte, und Harl brauchte nur einen einzigen zu tun, um ihr den Weg abzuschneiden.
Das Fenster lag näher, doch selbst wenn es ihr glückte, die Läden zu entriegeln und aufzustoßen, bevor er sie erreichte, wäre dabei für sie nichts gewonnen. Es war mitten in der Nacht, und draußen pirschten Dämonen durch die Dunkelheit.
Die Zeit schien unendlich langsam dahinzukriechen, während Renna sich den Kopf zermarterte, wie sie vor ihrem Vater flüchten konnte. Wenn sie quer über den Hof rannte, schaffte sie es vielleicht bis zur Scheune, ohne von einem Horcling eingeholt zu werden. Die große Scheune war durch Siegel geschützt und nicht mit dem Haus verbunden. Wenn sie sich darin verschanzte, konnte Harl ihr erst gegen Morgen dorthin folgen, und womöglich hatte er dann seinen Suff ausgeschlafen.
In die Nacht hineinzulaufen widerstrebte all ihren Instinkten, es kam einem Selbstmordversuch gleich. Aber wohin sollte sie sonst fliehen? Bis zum Sonnenaufgang war sie mit ihrem Vater im Haus gefangen.
In diesem Moment bewegte sich Harl und sein Atem streifte sie. Langsam näherte er sich dem Bett, und Renna erstarrte wie ein vor Furcht gelähmtes Kaninchen. Als er ins Licht rückte, sah sie, dass er nur sein Nachthemd trug, und der Stoff hob sich über seinem erigierten Glied. Er trat dicht an sie heran, streckte die Hand aus und berührte ihr Haar. Mit den Fingern fuhr er durch ihren Schopf, um danach an ihnen zu schnuppern. Dann ließ er die Hand wieder sinken und streichelte zärtlich ihr Gesicht.
»Genau wie deine Mam«, murmelte er, während seine Hand tiefer wanderte, den Hals und das Schlüsselbein entlang, und schließlich die glatte Haut ihrer Brüste liebkoste.
Plötzlich drückten seine Finger zu, und Renna schrie auf. Miss Scratch wurde mit einem Ruck wach, fauchte und grub ihre Krallen tief in Harls Arm. Er stieß ein lautes Brüllen aus, und die Panik verlieh Renna ungeahnte Kräfte. Sie stieß mit beiden Fäusten zu und schleuderte ihn nach hinten. Betrunken wie er war, geriet Harl ins Straucheln und schlug der Länge nach hin. Wie der Blitz sauste Renna durch die Tür.
»Mädchen, komm sofort zurück!«, donnerte Harl, doch sie hörte nicht auf ihn, sondern stürmte zur hinteren Tür, die in die kleine Scheune führte. Er stolperte ihr nach, verhedderte sich im Vorhang und riss ihn von der Stange.
Ehe er sich aus den Stoffbahnen befreien konnte, war sie in der Scheune, aber von innen ließ sich die Tür nicht verriegeln. Sie schnappte sich einen schweren alten Sattel, wuchtete ihn gegen die Tür und rannte weiter zu den Verschlägen.
»Beim Horc, Renna! Was ist in dich gefahren?«, zeterte Harl, als er durch die Tür platzte. Es folgte ein Aufschrei, als er über den Sattel fiel, und dann erging er sich in einer Reihe von wilden Flüchen.
»Mädchen, ich gerbe dir das Fell vom Arsch, wenn du nicht sofort aus deinem Versteck rauskommst!«, brüllte er, und sie hörte einen scharfen Knall wie von einer Peitsche. Er hatte ein paar lederne Zügel von einem Haken an der Scheunenwand gerissen.
Renna verhielt sich mucksmäuschenstill und kauerte in einem dunklen Verschlag hinter einer alten Regentonne, während Harl unbeholfen mit dem Anzünder und einer Laterne herumfuhrwerkte. Schließlich schaffte er es, dass der Docht Feuer fing, und ein zuckender Lichtschein ließ Schatten durch die Scheune tanzen.
»Wo
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