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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Hand Speere
werfen und Übungen mit dem Netz durchführen. Man nahm keine besondere Rücksicht auf ihn, und das hätte er auch gar nicht gewollt. Der Riemen klatschte noch genauso oft über seinen Rücken wie vorher, und Jardir begrüßte das; er umarmte den Schmerz in dem Bewusstsein, dass jeder Hieb den anderen Jungen bewies, dass er trotz seiner Verletzung nicht schwach war.
    Wochen vergingen, und Jardir trainierte hart; bei jeder Gelegenheit übte er die sharukin , und jede Nacht wiederholte er in Gedanken die Bewegungsabläufe, bis er einschlief. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass er mit der linken Hand genauso gut werfen und zustoßen konnte wie mit der rechten. Er ging sogar dazu über, Gegner mit dem Gipsverband niederzuschlagen, und dann umarmte er die rasenden Schmerzen, die über ihn hinwegfegten wie ein heißer Wüstenwind. Er wusste, wenn die dama’ting ihn endlich von dem Gips befreiten, würde er stärker sein als vor der Verletzung.
    »Ich denke, Jurim wäre der Richtige«, legte sich Abban schließlich am letzten Abend fest, an dem Jardir noch den Verband trug. »Er ist groß und stark, aber er vergisst, was er gelernt hat, und versucht einfach nur, seine Gegner durch schiere Kraft zu überwältigen.«
    Jardir nickte. »Vielleicht. Er ist langsam, und wenn ich ihn erst erledigt hätte, würde mich keiner angreifen, aber ich dachte eher an Shanjat.« Mit einem Kopfnicken deutete er auf einen schmächtigen Jungen, der direkt vor Jurim in der Reihe stand.
    Abban schüttelte den Kopf. »Lass dich von seinem Aussehen nicht täuschen. Es gibt einen Grund, warum er vor Jurim steht. Seine Arme und Beine können zuschlagen wie Peitschenschnüre.«
    »Aber er ist nicht präzise«, hielt Jardir dagegen. »Und wenn seine Schläge nicht treffen, verliert er die Balance.«
    »Das kommt aber nur selten vor«, warnte Abban. »Du hast eine bessere Chance, Jurim zu besiegen. Wer zu viel feilscht, gefährdet den Handel.«

    Als Jardir am Vormittag des nächsten Tages vom Pavillon der dama’ting zurückkam, hatte sich vor dem Kessel mit der Haferschleimsuppe bereits eine Schlange gebildet. Jardir holte tief Luft, beugte seinen rechten Arm, marschierte in den Raum hinein und steuerte geradewegs auf die Mitte der Schlange zu. Weiter hinten hatte Abban schon seinen Platz eingenommen und würde ihm, wie vereinbart, nicht beistehen.
    Es ist stets das schwächste Kamel, das die Wölfe anzieht, hörte Jardir in Gedanken die Stimme seines Vaters, und dieser schlichte Rat half ihm, seine Angst zu meistern.
    »Stell dich hinten an, du Krüppel!«, schnauzte Shanjat, als er ihn kommen sah.
    Jardir ließ sich nicht einschüchtern, sondern zwang sich zu einem breiten Lächeln. »Möge Everams Licht über dir leuchten, weil du mir meinen Platz freigehalten hast«, erwiderte er.
    In Shanjats Augen spiegelte sich maßlose Verblüffung wider; er war drei Jahre älter als Jardir und ihm körperlich weit überlegen. Jardir nutzte sein kurzes Zögern, um ihm einen heftigen Stoß zu versetzen, der ihn aus der Schlange herausschob.
    Shanjat stolperte, aber er war flink und blieb auf den Füßen, auch wenn er eine Staubwolke aufwirbelte, als er sein Gleichgewicht wiederfand. Mit einem Fußtritt hätte Jardir die Beine unter ihm wegfegen und zuschlagen können, während er um seine Balance kämpfte, aber den anderen Jungen einfach nur zu besiegen genügte nicht, um die Gerüchte, seine Verletzung hätte ihn geschwächt, im Keim zu ersticken.
    Entzückensschreie wurden laut und die Essensschlange formierte sich zu einem Kreis mit den beiden Jungen in der Mitte. Der verdutzte Ausdruck verschwand aus Shanjats Gesicht und wich einer wütenden Fratze, als er sich auf Jardir stürzte.
    Der wand und bog sich wie ein Tänzer, um Shanjats ersten Schlägen auszuweichen, die genauso blitzschnell kamen, wie Abban vorhergesagt hatte. Dann holte Shanjat wie erwartet zu einem wilden
Schwinger aus, der ihn die Balance kostete, als er nicht traf. Jardir machte einen Schritt nach links, duckte sich unter dem Arm hindurch und rammte seinen rechten Ellbogen wie einen Speer in Shanjats Niere. Vor Schmerzen heulend, torkelte Shanjat an ihm vorbei.
    Jardir wirbelte herum und versetzte Shanjat einen Ellbogenschlag in den Rücken, der ihn zu Boden gehen ließ. Nach den vielen Wochen im Gipsverband war sein Arm dünn und blass, aber die Knochen schienen tatsächlich stärker geworden zu sein, wie die dama’ting gesagt hatte.
    Aber Shanjat kriegte Jardirs

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