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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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du bist der Erlöser, der zurückgekehrt ist«, platzte die kleine Silvy heraus.
    »Nun, der bin ich ganz sicher nicht«, erklärte ihr der Tätowierte Mann. »Ich bin bloß ein Kurier, der gute Nachrichten bringt.«

    »Sind die Kuriere neuerdings alle so wie du?«, erkundigte sich Jeph. »Über und über bemalt?«
    Der Tätowierte Mann schmunzelte. »Nein, in dieser Hinsicht bin ich eine Ausnahme«, gab er zu. »Trotzdem bin ich nur ein ganz gewöhnlicher Mensch. Ich kam nicht hierher, um jemanden zu erlösen.«
    »Aber unserer Renna hast du das Leben gerettet«, widersprach Ilain. »Dafür können wir dir nicht genug danken.«
    »Es hätte nicht nötig sein müssen«, versetzte der Tätowierte Mann.
    Nach dem Vorwurf schwieg Jeph eine Weile. »Du hast Recht«, räumte er dann ein. »Aber manchmal, wenn man mitten in einer Menschenmenge steckt, und die Leute entschieden haben …«
    »Hör auf, nach Ausflüchten zu suchen, Jeph Strohballen!«, rief Norine. »Was der Mann sagt, stimmt durch und durch. Außer unseren Familien haben wir doch nichts auf der Welt. Nichts sollte uns davon abhalten, zu unseren Verwandten zu stehen.«
    Der Tätowierte Mann musterte sie prüfend. Das war nicht die Norine, die er von früher kannte, die in der Nacht, als seine Mutter von den Horclingen zerfleischt wurde, auf der Veranda gestanden hatte. Und nichts unternommen hatte, außer dem Versuch, Arlen daran zu hindern, seiner Mutter zu helfen. Er nickte und sah wieder Jeph an.
    »So ist es«, betonte er. »Man muss sich gegen die auflehnen, die einem selbst oder denen, die zu einem gehören, Schaden zufügen wollen.«
    »Du klingst genau wie mein Sohn«, sinnierte Jeph, dessen Blick in eine unbestimmte Ferne abgeschweift war.
    »Wie bitte?«, fragte der Tätowierte Mann, dem sich die Kehle zuschnürte.
    »Meinst du mich?«, wunderte sich der junge Jeph.

    Jeph schüttelte den Kopf. »Nein, deinen ältesten Bruder«, erklärte er, und alle außer Renna und dem Tätowierten Mann zeichneten rasch ein Siegel in die Luft.
    »Ich hatte noch einen Sohn, er hieß Arlen, aber das ist schon lange her«, erklärte Jeph. Ilain nahm seine Hand und drückte sie, um ihm Kraft zu geben. »Er war sogar Renna versprochen.« Mit dem Kinn wies er auf Renna. »Arlens Mam wurde von den Horclingen getötet, und er lief weg.« Er blickte auf die Tischplatte und seine Stimme wurde heiser. »Hat immer nach den Freien Städten gefragt, der Arlen. Ich stelle mir gern vor, er hätte es bis dorthin geschafft …« Er brach ab und schüttelte den Kopf, als müsse er sich von bösen Erinnerungen befreien.
    »Aber jetzt hast du diese wunderbare Familie«, warf der Tätowierte Mann ein in dem Versuch, das Gespräch auf ein angenehmeres Thema zu lenken.
    Jeph nickte, umfasste Ilains Finger mit seinen beiden Händen und drückte sie. »Jeden Tag danke ich dem Schöpfer dafür, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht um die Menschen trauere, die von mir gegangen sind.«
    Nach dem Frühstück ging der Tätowierte Mann nach draußen in die Ställe, um nach Schattentänzer zu sehen; er tat es hauptsächlich, um einen Moment lang allein zu sein. Er hatte gerade angefangen, das Pferd zu striegeln, da ging die Scheunentür auf und Renna kam herein. Sie schnitt einen Apfel durch und hielt Schattentänzer die beiden Hälften hin; während der Hengst den Apfel genüsslich mit seinen starken Zähnen zermalmte, streichelte sie seine Flanken. Schattentänzer wieherte leise.
    »Es war Nacht, als ich vor ein paar Tagen hier angerannt kam«, begann sie. »Die Dämonen hätten mich gekriegt, wäre Jeph nicht hinter den Siegeln hervorgesprungen und hätte einen mit seiner Axt erschlagen.«
    »Ist das wahr?«, staunte der Tätowierte Mann und spürte einen Kloß in seiner Kehle, als sie nickte.

    »Du wirst es ihm nicht sagen, oder?«
    »Was werde ich ihm nicht sagen?«, fragte der Tätowierte Mann.
    »Dass du sein Sohn bist. Dass du lebst, wohlauf bist und ihm verzeihst. Er hat so lange gewartet. Warum bestrafst du ihn immer noch, obwohl ich in deinen Augen Vergebung sehe?«
    »Du weißt, wer ich bin?«, fragte er maßlos verblüfft.
    »Natürlich weiß ich es!«, schnappte Renna zurück. »Ich bin doch nicht blöde. Woher hättest du wissen sollen, was mein Dad mit uns Mädchen gemacht hat, wenn du nicht Arlen Strohballen bist? Wie konntest du wissen, dass Cobie ein Rüpel war, oder wo Jephs Hof liegt? Bei der Nacht, du hast in der Küche herumhantiert, als wärst du immer noch hier zu

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