Das Flüstern der Nacht
nieder und legte den Speer neben sich ab, ehe er die Handflächen auf den Boden drückte. »Du wolltest benachrichtigt werden, wenn deine Gemahlinnen eintreffen.«
Jardirs Miene verfinsterte sich.
4
Aufstieg zum Krieger
308 NR
J ardir wurde mit dem Alagaischwanz ausgepeitscht, weil er Abban das Leben gerettet hatte; die Dornen fetzten ihm das Fleisch vom Rücken, und die Tage ohne Nahrung waren hart, aber er umarmte die Strafe und auch die Schmerzen. Hunger und körperliche Qualen konnten ihm nichts anhaben, sie waren unwichtig.
Er hatte einen alagai mit einem Netz gefangen.
Andere Krieger hatten dem Winddämon die Flügel abgeschnitten und ihn mit Pfählen in einem Bannzirkel festgenagelt, wo er schließlich von der Sonne verbrannt wurde, aber es war Jardir, der ihn aus der Luft geholt hatte, und jeder wusste das. Er merkte es an den ehrfürchtigen Blicken der anderen nie’Sharum und dem widerwilligen Respekt, den die neidischen dal’Sharum ihm zollten. Sogar die dama beobachteten ihn, wenn sie glaubten, dass niemand es sähe.
Am vierten Tag steuerte Jardir, schwach vor Hunger, auf die Essensschlange zu. Er bezweifelte, dass er die Kraft aufbrächte, selbst mit dem schwächsten der Jungen zu kämpfen, aber mit geradem Rücken ging er zu seinem üblichen Platz direkt an der Spitze. Die anderen wichen vor ihm zurück, die Blicke ehrerbietig gesenkt.
Als er die Hand mit der Schale ausstreckte, ergriff Qeran seinen Arm.
»Heute keine Schleimsuppe für dich«, erklärte der Exerziermeister. »Komm mit mir.«
Jardir hatte das Gefühl, als stecke ein Sanddämon in seinem Magen und würde versuchen, sich mit den Krallen daraus zu befreien, aber ohne zu klagen reichte er seine Schale einem anderen Jungen und folgte dem Exerziermeister durch das Lager.
In Richtung des Kaji-Pavillons.
Jardirs Gesicht wurde ganz kalt. Das war doch nicht möglich.
»Seit dreihundert Jahren hat kein Junge deines Alters den Kriegerpavillon betreten«, sagte Qeran, als könne er seine Gedanken lesen. »Ich finde, du bist noch zu jung, und das kann dein Ende und für die Kaji einen großen Verlust bedeuten, aber Gesetz ist Gesetz. Wenn ein Junge auf der Mauer mit einem Netz seinen ersten Dämon einfängt, wird er zum alagai’sharak gerufen.«
Sie betraten das Zelt, und Dutzende schwarz gekleideter Gestalten drehten sich um und starrten ihn an, ehe sie sich wieder ihren Mahlzeiten zuwandten. Frauen bedienten sie, aber sie waren anders als alle, die Jardir kannte, die von Kopf bis Fuß in dichte schwarze Tücher gehüllt waren. Die Schleier dieser Frauen bestanden aus hauchdünner Gaze in leuchtend bunten Farben, und ihre durchsichtige Kleidung schmiegte sich eng an ihre sanften Rundungen. Ihre Arme und Bäuche waren entblößt und mit juwelenbesetztem Zierat geschmückt, und durch die langen Seitenschlitze in ihren Pluderhosen sah man ihre glatten Beine.
Jardir spürte, wie sein Gesicht bei diesem Anblick zu glühen begann, aber niemand sonst schien diese Zurschaustellung von Reizen anstößig zu finden. Ein Krieger musterte kurz das Mädchen, das ihm aufwartete, dann stellte er seine Schale mit Kebab hin, schnappte sich die Frau und warf sie über seine Schulter. Das Mädchen lachte, als er sie in einen durch Vorhänge abgetrennten Raum voll bunter Kissen trug.
»Dieses Recht steht dir ebenfalls zu, solltest du die kommende Nacht überleben«, eröffnete ihm Qeran. »Die Kaji brauchen mehr Krieger, und es ist die Pflicht eines Mannes, sie zu zeugen. Wenn du dich bewährst, steht dir eines Tages vielleicht eine eigene Frau zu, die dein Heim in Ordnung hält, aber von allen dal’Sharum wird erwartet, die Jiwah’Sharum ihres Stammes zu begatten.«
Die Gegenwart so vieler Frauen in freizügiger Kleidung überwältigte Jardir, und halb in der Erwartung, unter ihnen seine Schwestern zu entdecken, betrachtete er die jungen Gesichter. Es verschlug ihm die Sprache, als der Exerziermeister ihn zu einem Sitzkissen an der großen Tafel führte.
Es gab mehr zu essen, als er in seinem Leben jemals gesehen hatte. Datteln und Rosinen, Reis und gewürztes Lammfleisch an Spießen. Couscous und in Weinlaub eingewickeltes, dampfend heißes Fleisch. Sein Magen fing an zu knurren, und er fühlte sich hin und her gerissen zwischen Hunger und Lust.
»Iss dich satt und dann ruhe dich aus«, riet Qeran. »Heute Nacht wirst du deinen Mann stehen.« Er schlug Jardir auf den Rücken und verließ das Zelt.
Zaghaft griff Jardir nach einem
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