Das Flüstern der Stille
verschwinden kann, aber es ist bereits zu spät. Christine erblickt mich, wirft mir einen schneidenden Blick zu und geht zu ihrem Mann.
„Christine?“, fragt Louis und wirft einen Blick über ihre Schulter. „Wo ist Tanner?“
„Er ist im Auto, Loras“, sagt sie kurz angebunden. Sie ist die einzige Person die ich kenne, die ihn bei seinem Vornamen nennt. „Er schläft.“
„Du hast ihn allein im Auto gelassen?“, fragt Louis ungläubig. „Christine, irgendwo da draußen läuft ein Kidnapper frei herum. Du kannst doch nicht einfach ein Kind unbeaufsichtigt im Wagen lassen.“
„Du …“, sie zeigt mit dem Finger auf ihn, „… hast in der Minute jegliches Recht verspielt, mir zu sagen, was ich mit meinem Sohn machen soll, in der du beschlossen hast, dass ihre Kinder wichtiger sind als Tanner.“
„Wovon zum Teufel sprichst du?“ Louis nimmt Christine am Arm und zieht sie außer Hörweite.
Ich nutze die Gelegenheit, schnell durch die Tür zu entwischen. Dann suche ich den Parkplatz nach dem roten Civic ab, der Rose gehört. Als ich die Tür aufschließe und einsteigen will, umringen mich Agent Fitzgerald und die beiden Fremden, mit denen er eben gesprochen hat.
„Mrs. Clark“, sagt Agent Fitzgerald. „Es freut mich zu hören, dass Ihre Kinder gesund und munter wiedergefunden wurden.“
„Ja, mich auch“, erwidere ich brüsk. Ich will hier weg, bevor Christine mich in ihren Streit mit Louis hineinzieht.
Agent Fitzgerald stellt mir seine beiden Kollegen vor, Agent Temperly und Agent Simon. Ich lächle ihnen kurz zu und setze mich hinters Lenkrad.
„Wir müssen mit Ihren Kindern sprechen, Mrs. Clark“, erklärt mir Agent Fitzgerald.
„Ich weiß. Würde es Ihnen morgen irgendwann passen?“
„Sie verstehen nicht“, springt Agent Temperly ein. „Wir müssen jetzt mit Calli sprechen.“
„Nein, Sie verstehen nicht. Calli hat einen fürchterlichen Tag hinter sich, sie schläft jetzt. Niemand stellt ihr heute Nacht noch irgendwelche Fragen“, erkläre ich entschieden.
„Wir brauchen Ihre Erlaubnis nicht, um mit einem Zeugen zu reden, Mrs. Clark“, informiert mich Fitzgerald.
Ich frage mich, wie ich diesem Mann jemals vertrauen konnte. „Nein, aber Sie benötigen die Einwilligung des Arztes, um mit ihr zu sprechen. Und wenn er sagt, dass meine Kinder noch nicht bereit sind, vernommen zu werden, dann werden Sie sie auch in Ruhe lassen, verstanden?“ Ich steige wieder aus dem Auto und marschiere zurück ins Krankenhaus, um Dr. Higby wissen zu lassen, dass unter gar keinen Umständen irgendwer mit meinen Kindern spricht, bis ich wieder zurück bin.
Deputy Sheriff Louis
Ich ziehe Christine in eine etwas ruhigere Ecke des Warteraums. Da wären wir also wieder. Christine bekommt ihre kleinen öffentlichen Anfälle ungefähr zwei Mal im Jahr. Danach beruhigt sie sich wieder und sagt, dass es ihr leidtut, und wir machen weiter, als sei nichts gewesen – bis zum nächsten Mal.
„Was ist los?“, frage ich durch zusammengebissene Zähne. „Ich arbeite hier.“
„Das ist ja ein Teil des Problems“, weint sie. „Immer arbeitest du. Wir sehen dich überhaupt nicht mehr.“
„Es ist mein Job!“, sage ich lauter als beabsichtigt. Ich fühle viele Blicke auf uns. Aus dem Augenwinkel sehe ich Toni eilig das Krankenhaus verlassen und frage mich, wohin sie geht. Weiß sie, dass Griff irgendwo da draußen ist?
„Und sie ist der andere Teil des Problems.“ Christines Stimme zittert, als sie mit ihrem Kinn auf Toni zeigt. „Du hast einfach aufgelegt, Loras! Du warst bei ihr . Immer, wenn sie etwas braucht, rennst du hin. Sogar jetzt guckst du ihr hinterher, während ich versuche, dir zu sagen, dass wir dich verlassen.“
Sofort ist meine Aufmerksamkeit wieder bei Christine. „Was heißt das, ihr verlasst mich? Ist Tanner wirklich im Auto?“
„Ja, er schläft. Ich habe die Türen abgeschlossen. Ihm geht es gut“, murmelt Christine.
„Was ist, wenn er aufwacht und herausklettert? Jesus, Christine, benutz deinen Verstand. Lass uns rausgehen.“
„Ja, lass uns rausgehen, Loras. Dann kannst du ihm Auf Wiedersehen sagen. Ich bringe Tanner zurück nach Minnesota.“
„Wie? Für einen Urlaub?“
„Nein, nicht für einen Urlaub “, äfft sie mich nach. „Für immer. Wir wohnen bei meinen Eltern, bis ich mich eingelebt und eine Wohnung gefunden habe.“
„Du kannst dir doch nicht einfach Tanner schnappen und verschwinden“, explodiere ich. „Du kannst mich nicht von meinem Sohn
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