Das Flüstern der Stille
gelächelt. „Sehr lieb von dir, Ben, aber das hier ist etwas, was nur Calli für ihre Mom tun kann.“ Dann hat er dich angeschaut. „Calli, wäre es nicht wunderbar, wenn du Mom sagen könntest, dass du sie lieb hast? Das würde sie so glücklich machen und mich auch.“
Mit einem Schlag ist dein Gesicht ganz traurig geworden, weil du wusstest, dass Dad Unmögliches von dir verlangt hat. Dad sagte: „Ah, komm schon, Calli, du kannst es! Mach einfach deinen Mund auf und sag Mom .“
Du hast angefangen, den Kopf zu schütteln und die Lider fest zusammengepresst. „Komm, Calli, sag es. Mom .“ Er übertrieb seine Lippenbewegungen, als er das Wort aussprach, wie jemand, der ein Baby zum Sprechen bringen will.
Du hieltest die Augen geschlossen und die Lippen aufeinandergedrückt.
„Du kannst es, Calli. Willst du deine Mutter nicht glücklich machen? Sag es, Mmmmm-ahhhhh-mmmm.“
Doch du wolltest nichts davon wissen und hast versucht, von Daddys Schoß zu springen. „O nein, junges Fräulein. Komm, Calli, sag es. Sag es!“, schrie er. Er hielt dich mit einer Hand fest und umfasste mit der anderen dein Gesicht, versuchte, deinen Mund in Form zu drücken, damit du das Wort aussprichst.
„Hör auf“, sagte ich sehr sanft. Aber er machte weiter, obwohl du schon geweint hast, still, lautlos. „Hör auf!“, rief ich lauter und erregte damit endlich Dads Aufmerksamkeit.
„Lass uns allein, Ben. Calli und ich machen gerade eine Sprechübung. Geh jetzt“, sagte er.
„Hör auf“, schrie ich. „Lass sie in Ruhe! Sie kann es nicht sagen, sie kann es einfach nicht! Wenn sie es könnte, hätte sie es schon längst getan! Lass sie in Ruhe!“ Ich weiß. Ich konnte es selbst nicht glauben. Du hast aufgehört zu weinen, und Dad schaute mich an, als wären gerade die Marsmenschen gelandet oder so was Ähnliches.
„Halt dich da raus, Ben. Geh in dein Zimmer.“ Auch wenn er sehr ruhig sprach, wusste ich doch, dass er es ernst meinte.
„Nein. Lass sie in Ruhe, sie kann es nicht!“
In einer schnellen Bewegung war Dad auf den Beinen und ließ dich auf den Boden fallen. Und ich schrie: „Lauf, Calli!“ Aber das tatest du nicht. Du hast einfach nur auf dem Boden gesessen und zu uns heraufgeschaut.
„Großartig“, sagte Dad gereizt. „Ich habe eine zurückgebliebene Idiotin als Tochter und einen Klugscheißer als Sohn. Wirklich großartig. Vielleicht gibt es noch einen anderen Weg, sie zum Sprechen zu bringen. Steh auf, Calli.“
Das hast du getan, und zwar sehr schnell.
„Ben hier denkt, er hätte alle Antworten. Denkt, dass du nicht sprechen kannst. Aber ich weiß es besser, denn ich erinnere mich daran, als du noch geredet hast. Hast ganz ordentlich vor dich hingeplappert. Vielleicht brauchst du nur einen kleinen Anreiz, um dein Mundwerk wieder zum Laufen zu bringen.“ Dann holte Dad aus und schlug mir so hart auf den Hinterkopf, dass ich beinah ohnmächtig geworden wäre. Du hast deine Augen mit den Händen bedeckt, aber Dad hat deine Finger zurückgebogen, damit du zusiehst. Dann schlug er mich noch ein paarmal, in den Magen, auf den Rücken.
Dabei schaute er dich die ganze Zeit an und rief: „Wenn du redest, Calli, höre ich auf.“ Ein weiterer Schlag. „Sag mir, dass ich aufhören soll, und ich tu’s. Komm schon, Calli, willst du nicht mal sprechen, um deinem Bruder zu helfen?“
Ich wusste, wie fürchterlich das für dich war. Zwischen den Schlägen konnte ich sehen, wie du versuchtest, ein Wort herauszubringen, aber du konntest es einfach nicht. Ich wusste, dass du es tun würdest, wenn du nur könntest. Endlich wurde Dad müde und sagte: „Zum Teufel! Mit euch ist es hoffnungslos, mit euch allen beiden.“
Dann setzte er sich wieder in seinen grünen Sessel und schaute fern, bis Mom nach Hause kam. Ich habe ihr nie erzählt, was an dem Abend passiert ist, und habe den Rest des Monats ausschließlich langärmlige T-Shirts getragen. Ich dachte, dass Dad nur noch für ein paar Tage zu Hause bleiben und dann zurück zur Pipeline fahren würde. Du bist nach oben in dein Zimmer gelaufen und hast es in den nächsten zehn Tagen nicht über dich gebracht, mich auch nur anzuschauen. Aber ich wusste, dass es dir leidtat. In den nächsten zwei Wochen habe ich jeden Abend Bonbons unter meinem Kopfkissen gefunden.
Martin
Fielda hält durch, aber nur noch gerade eben so. Sie ist blass, ihre Stimme zittrig und hoch. Ihre Finger zupfen unermüdlich an den losen Fäden auf der Armlehne der Couch. Sie
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