Das Flüstern der Stille
schüsselförmigen Schlitten selbstbewusst zum steileren Hügelabschnitt trug und sich hinter drei größeren Jungen in die Warteschlange einreihte. Die Jungs drehten sich um, lachten und schubsten den kleineren zur Seite. Unbeeindruckt stellte er sich wieder an seinen Platz, breitbeinig, um einen festen Stand bemüht, und ignorierte die spöttischen Bemerkungen, die in seine Richtung flogen. Als er an der Reihe war, setzte er sich mittig hin, und der hinter ihm stehende Junge gab dem Schlitten mit der Spitze seines Bergsteigerstiefels einen kräftigen Tritt. Wie ein Katapult schoss der Schlitten bergab, drehte sich und sprang über die eisigen Wälle, blieb einen Augenblick in der Luft, um dann die nächste gefrorene Rampe zu überfliegen. Ich hielt meinen Atem an aus Angst um diese arme Seele, die ohne Zweifel vor unser aller Augen den Tod finden würde.
„Heilige Scheiße“, flüsterte Dave neben mir, und ich konnte nur zustimmend nicken.
Es schien wie eine Ewigkeit, als der Junge da bergab sauste und sein Kopf wild hin und her schleuderte, aber er hielt sich tapfer, geriet nur einmal kurz in Gefahr, von seinem Schlitten abgeworfen zu werden. Endlich kam der letzte Bremswall, und der Schlitten krachte so heftig dagegen, dass dem Jungen die Strickmütze vom Kopf gerissen wurde und ein brauner, locker gebundener Pferdeschwanz hinter ihm herflatterte. Er war eine Sie , stellte ich schockiert fest, und als sie nach weiteren zweihundert Metern endlich zum Stehen kam, war ich komplett und bis über beide Ohren verliebt. Bei der Erinnerung daran muss ich immer noch lächeln und bin wieder erstaunt, wie schnell Toni sich einen Platz in meinem Herzen erobert hatte. Noch mehr verwundert es mich, dass ihr dieser Platz immer noch gehört.
Ein Geräusch lässt mich aufsehen. Ich weiß, wer mein Besucher ist. Also erhebe ich mich und begrüße Agent Fitzgerald von der State Police.
Ben
Aus dem Fenster meines Zimmers sehe ich, wie der Deputy Sheriff in die Einfahrt der Gregorys biegt, und recke meinen Hals, um zu sehen, wer da bei ihm ist, hoffe, dass du es bist, Calli. Aber du bist es nicht. Ein kleiner Mann mit brauner Hose, weißem Hemd und roter Krawatte steigt aus. Ich beobachte, wie er das Haus der Gregorys in Augenschein nimmt und dann gemeinsam mit Deputy Sheriff Louis zur Haustür geht. Ich nehme an, es handelt sich um den Polizisten, von dem Mom erzählt hat. Eins muss man dir lassen Calli, du sorgst für gehörige Aufregung. Und wie du das schaffst, ohne ein Wort zu reden, erstaunt mich.
Heute sollte ich eigentlich bei Raymond übernachten, aber ich denke, daraus wird jetzt wohl nichts, zumindest solange du nicht gefunden bist. Du hast es nie gemocht, wenn ich eine Nacht woanders verbracht habe. Du hast dann immer auf meinem Bett gesessen, während ich gepackt habe, und mich so traurig angeschaut, dass ich wieder und wieder sagen musste: „Ich bin morgen wieder zurück, Cal, ist doch nicht schlimm.“ Aber du hast trotzdem immer so enttäuscht ausgesehen, dass ich dich sogar mit meinem Schachbrett habe spielen lassen, das Dad mir mal zu Weihnachten geschenkt hat, und dann hast du dich ein bisschen besser gefühlt.
Mom war beinah genauso schlimm wie du. Oh, sie hat immer dieses tapfere Gesicht gemacht und gesagt: „Natürlich sollst du bei deinem Freund übernachten, Ben. Wir jungen Damen werden schon zurechtkommen, nicht wahr, Calli? Wir haben ja Daddy, um uns Gesellschaft zu leisten.“
Die Wahrheit ist, ich bin immer nur über Nacht weggeblieben, wenn Daddy von seinen Montageeinsätzen zurück war. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dich und Mom völlig allein zu Hause zu lassen. Und manchmal war es auch einfach besser für mich, nicht da zu sein, wenn Daddy nach Hause kam.
Erinnerst du dich an die Nacht der „Sprechübungen“? Letzten Herbst, als du in der ersten Klasse warst und Mom irgendein Treffen mit deinen Lehrern hatte, glaub ich, waren wir mit Dad allein. Er fand es lächerlich, diese ganze Aufregung an der Schule, weil du nicht sprichst. Er hat ganz begeistert angefangen, sagte: „Calli, willst du deiner Mom eine Freude machen?“
Natürlich hast du genickt, ganz glücklich. Dad saß in seinem grünen Lieblingssessel und hat dich auf den Schoß genommen. Du hast ihn angeschaut und nur darauf gewartet zu erfahren, welche große Überraschung er für Mom habe. Dad hatte so erleichtert ausgesehen, dass ich sogar auch dazugekommen bin und gefragt habe, ob ich helfen kann.
Dad hatte
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