Das Flüstern der Stille
besteht, und in wenigen Augenblicken werden sie wie die Löwen kämpfen, um zu beweisen, dass das nicht passiert ist.“
„Wir müssen Suchhunde herbringen, eine offizielle Suchaktion organisieren“, sage ich, obwohl ich weiß, dass er das bereits im Kopf hat.
„Das sehe ich genauso. Es müsste möglich sein, einen Hundeführer samt Hund bis zum späten Nachmittag aus Madison oder sogar Des Moines hierzuhaben“, erwidert Fitzgerald und nimmt einen tiefen Zug.
„Die Familien werden nichts von einem Hund hören wollen. Das klingt zu sehr danach, als ob wir nur noch nach Leichen suchen“, sage ich und freue mich nicht darauf, derjenige zu sein, der den Gregorys und Toni diese Nachricht überbringen muss.
„Was sagt Ihnen Ihr Bauchgefühl zu diesem Fall, Louis?“ Fitzgerald lehnt sich an den Stamm des Ahorns und sieht mich interessiert an.
Ich zucke mit den Schultern. „Ich bin mir nicht sicher. Aber unter uns, ich würde mir Tonis Ehemann mal ein bisschen genauer anschauen. Er ist ein zwielichtiger Typ, ein Trinker. Gerüchten zufolge neigt er zu Gewalttätigkeiten.“
„In welcher Hinsicht?“
„Wie ich schon sagte, es ist nur ein Gerücht. Toni redet nicht darüber, es hat auch nie einen Notruf wegen häuslicher Gewalt gegeben. Aber einige Vorfälle wegen Alkohol und ordnungswidrigem Verhalten bei Griff, und ein Fall von Trunkenheit am Steuer. Wir sollten es einfach im Hinterkopf behalten“, meine ich zurückhaltend.
„Gut zu wissen.“ Fitzgerald schaut nun wieder hinüber zu Tonis Haus.
„An Tagen wie diesen wünsche ich mir zu rauchen“, sage ich mit Blick auf seine Zigarette.
„An Tagen wie diesen wünsche ich mir, ich würde es nicht tun“, erwidert Fitzgerald. In dem Moment tritt Martin Gregory aus der Haustür.
„Es tut mir leid“, entschuldigt er sich. „Wir können jetzt weitermachen. Fragen Sie einfach, was Sie noch von uns wissen müssen. Bitte … kommen Sie doch herein.“
Calli
Calli war tiefer in den Wald hineingelaufen, weit über den Punkt hinaus, wo sie sich noch auskannte. Sie hatte sich verlaufen, das Rehkitz war schon vor langer Zeit zu seiner Mutter zurückgekehrt. Calli wanderte umher, versuchte, sich zu orientieren. Die Bäume waren dick und hielten die Sonnenstrahlen fern, trotzdem war die Luft dunstig, schwer von Feuchtigkeit. Der Weg vor ihr führte bergan, ein sich windender, steiniger Pfad, der in einer Tannenschonung verschwand. Ein anderer Weg führte bergab, zum Bach, wie sie vermutete. Ihre Zunge fühlte sich geschwollen und trocken an; sie hatte so einen Durst. Sie überlegte, den Weg zurückzugehen, den sie gekommen war, verwarf die Idee aber wieder, weil sie wusste, dass Griff immer noch irgendwo war. Die Muskeln in ihren Beinen zitterten und waren müde vom Laufen. Ein dumpfes Hungergefühl hatte sich in ihrem Magen breitgemacht. Calli ließ den Blick über den Wald vor sich schweifen. Sie sah dicke, rotgelbe Beeren, um die sich Kardinäle versammelt hatten, aber sie wusste, dass sie die nicht essen konnte. Sie versuchte sich an das zu erinnern, was Ben und ihre Mutter ihr über die Beeren des Waldes erzählt hatten, welche essbar waren und welche giftig. Sie kannte Maulbeeren, die mit süßem Saft gefüllten dicken, purpurroten Beeren, die schwer an den Ästen der Bäume hingen. Die konnte sie essen, aber nicht die rotbraunen Beeren der Stachelesche, denn die machten den ganzen Mund taub. Sie trottete aufwärts, während sie jeden Busch und jede Rebe mit den Augen genauestens absuchte.
Ihr Blick fiel auf ein dorniges Gestrüpp, in dem schwarze Beeren von einem weißen Ast hingen. Schwarze Himbeeren. Hungrig zupfte Calli die Früchte vom Zweig, ihr Saft brach bei der Berührung durch die Haut, verfärbte ihre Finger. Die Süße füllte ihren Mund, und sie fuhr fort, die Beeren zu pflücken, wobei sie gleichzeitig die Mücken mit der Hand davonwedelte. Ihre Mutter hatte ihr beigebracht, wo wilde schwarze Himbeeren zu finden waren, und sie und Ben hatten oft so viele gepflückt, wie in einen leeren Eiscremebecher passten, und versucht, vor Ort nicht schon zu viele zu naschen. Wenn ihre Becher voll waren, hatten sie sie nach Hause zu ihrer Mutter gebracht, die sie dann sorgfältig gewaschen und zu selbst gebackenem Kuchen verarbeitet hatte, den sie mit ebenfalls selbst gemachtem Eis servierte. Calli liebte selbstgemachtes Eis und alles, was dazugehörte, um es herzustellen. Wenn Eis gemacht wurde, stürmte sie schnell wie der Wind die Treppen in den
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