Das Flüstern der Stille
Keller hinunter zu der alten, handbetriebenen Eismaschine. Es faszinierte sie jedes Mal, wie aus Eiern, Vanille, Milch und Steinsalz etwas so Köstliches werden konnte. Sogar die Schmerzen in ihrem Arm vom Drehen der Handkurbel machten ihr nichts aus, und wenn sie gar nicht mehr konnte, übernahm Ben. Wenn sie wieder zu Hause war, beschloss Calli, würde sie als Erstes die alte Maschine nach oben schleppen und einen großen Berg Eiscreme machen.
Nachdem sie alle Himbeeren gegessen hatte, die sie pflücken konnte, wischte sie sich ihre schwarzen Finger am Nachthemd ab und rieb sich mit dem Handrücken über den Mund. Da ihr Hunger fürs Erste gestillt war, entschied Calli sich, dem Weg weiter bergauf zu folgen bis zum höchsten Punkt der Erhebung. Vielleicht konnte sie von da aus sehen, wo genau sie war und in welche Richtung sie gehen musste, um nach Hause zu kommen. Aber es war so heiß, und sie war so müde. Sich nur einen kleinen Moment hinlegen, einen Augenblick ausruhen. Ein gutes Stück entfernt vom Weg fand sie einen schattigen Platz unter einigen Zweigen, fegte die spitzen Äste auf dem Boden mit der Hand zur Seite und legte sich hin, den Kopf auf den Armen, schloss die Augen und schlief ein.
Ben
Wir haben Ewigkeiten darauf gewartet, dass Deputy Sheriff Louis und der andere Mann endlich zu uns kamen. Mom hat mich dazu gebracht, mir für diesen Anlass ein paar Shorts und ein Hemd mit Kragen anzuziehen. Ich habe Hunger, aber es fühlt sich komisch an, mir ein Sandwich zu machen, während du irgendwo ganz allein bist und vielleicht nichts zu essen hast. Ich schnappe mir eine Schachtel Cracker und nehme sie mit in mein Zimmer, um sie da zu essen. Als ich an der Tür zu deinem Zimmer vorbeikomme, sehe ich diesen kleinen Streifen Polizeiabsperrband quer über den Türrahmen gespannt. Dumm, denke ich. Die Leute durchwühlen deine Sachen, wo sie doch draußen im Wald nach dir suchen sollten.
Ich sehe Mom auf dem Fußboden in ihrem Schlafzimmer sitzen und Dinge aus deiner Schatzkiste nehmen. Es ist einfach eine alte Kiste mit lauter Kram drin. Ich habe auch eine. Mom nennt sie unsere Schatzkisten, weil sie will, dass wir alles Wichtige in unserem Leben darin aufbewahren. Damit wir, wenn wir alt und grau sind, wie sie sagt, uns durch all die alten Erinnerungen wühlen können, die uns einst so wertvoll gewesen sind. Ich hab sogar schon meine zweite Schatzkiste, weil die erste voll ist. Sie bemerkt nicht, dass ich an der Tür stehe, und so beobachte ich sie leise. Um sie herum sind Schulhefte und Kunstprojekte von dir ausgebreitet, und sie berührt jedes davon, ganz sanft, als wenn sie sich bei einer falschen Bewegung in Staub auflösen würden. Sie greift erneut in die Kiste und holt etwas heraus, das ich nicht deuten kann. Sie wohl auch nicht, denn sie schaut es nur für eine lange Zeit an, dreht es in ihren Händen; es ist weißlich grau und ungefähr sieben Zentimeter lang. Mom hört mich und dreht sich zu mir um, streckt mir das undefinierbare Ding entgegen.
„Was glaubst du, ist das?“, fragt sie mich, als ich es in die Hand nehme.
Ich zucke die Schultern und zupfe an den grauen Fetzen, die wie Fell aus dem Gebilde herausschauen. „Ich glaube, das ist Gewöll von einer Eule“, sage ich. „Siehst du, hier kann man noch kleine Knochenstücke sehen.“
Mom nimmt mir das Ding aus der Hand und betrachtet es genauer. Das mag ich an ihr. Die meisten Mütter würden beim Anblick von so etwas wie Eulenkotze ausflippen, aber sie nicht.
„Ja, ich glaube, du hast recht. Aber warum bewahrt Calli so etwas in ihrer Schatzkiste auf?“, fragt sie.
Ich zucke wieder die Schultern. „Ich nehme an, aus dem gleichen Grund, aus dem ich eine Kiste mit Zikadenpanzern in meinem Zimmer habe.“ Darüber muss sie lachen, und ich bin froh darüber, denn in letzter Zeit hat sie nicht viel gelacht. Sorgfältig packt sie das Gewöll zurück in die Kiste und holt etwas hervor, was wie ein Klumpen Baumwolle aussieht.
„Ich weiß, was das ist“, verkündet Mom lächelnd. „Das sind zusammengepresste Pusteblumensamen.“
„Okay“, sage ich. „Das Eulengewöll kann ich ja noch verstehen, aber Pusteblumensamen?“
„Erinnerst du dich nicht mehr?“, fragt sie. „Wenn Feen in der Luft tanzen, streck vorsichtig die Hand aus und fang dir eine. Wünsch dir was und halt es fest, dann entlasse deine Elfe vorsichtig wieder in die Sommernacht.“
„Ich frage mich, was sie sich gewünscht hat“, sage ich.
„Und ich frage mich,
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