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Das Flüstern der Stille

Das Flüstern der Stille

Titel: Das Flüstern der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Senn Heather Gudenkauf
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dir was und halt es fest, dann entlasse deine Elfe vorsichtig wieder in die Sommernacht.’ Mein Dad hatte es von seiner Großmutter aus Irland, und die hat auch gesagt, dass die Wünsche wirklich in Erfüllung gehen. Jeden Sommer, wenn wir die Samen fliegen sahen, haben wir versucht, einen zu fangen, haben uns etwas gewünscht und ihn dann wieder in die Luft gepustet.“
    „Was hast du dir gewünscht?“, wollte ich wissen.
    „Irgendwelches Zeug.“ Plötzlich verlegen, ließ Louis seinen Löffel fallen und rannte in Richtung Wald, wobei er versuchte, einen der fliegenden Samen zu fangen.
    „Was für Zeug?“, rief ich, während ich ihm nachlief.
    „Dass die Cubs den Pokal gewinnen, so was halt.“ Er schaute mich nicht an.
    „Was ist mit deinem Dad? Wünschst du ihn dir jemals zurück?“, fragte ich sanft zurück. Er ließ die Schultern hängen, und ich dachte, er würde wieder fortlaufen.
    „Nee, Dad ist tot. Bei so was funktioniert das nicht. Man muss sich Geld wünschen oder ein Filmstar zu sein oder solche Sachen.“ Er reichte mir einen flauschigen Wunsch. „Was wirst du dir wünschen?“
    Ich überlegte einen Moment, dann pustete ich den Samen sanft von meiner Hand, er glitt auf der Luft davon.
    „Was hast du dir gewünscht?“, hakte Louis nach.
    „Natürlich, dass die Cubs den Pokal gewinnen“, erwiderte ich. Er lachte, und wir liefen los, um am Bach zu spielen.
    Das war natürlich nicht mein Wunsch gewesen. Ich hatte mir gewünscht, dass er seinen Vater zurückbekäme – nur für den Fall.
    Acht Jahre später, als wir sechzehn waren, befanden wir uns wieder am Bach. Wir hatten uns gerade zum ersten Mal geliebt, und ich war den Tränen nahe. Ich konnte nicht in Worte fassen, was ich fühlte. Ich wusste, dass ich ihn liebte, ich wusste, dass das, was wir getan hatten, kein Fehler war. Und trotzdem weinte ich. Louis probierte, mich zum Lachen zu bringen, er kitzelte mich und zog Grimassen, aber die Tränen rollten einfach weiter über meine Wangen, egal, was er auch versuchte. Schlussendlich, in einem Akt der Verzweiflung, wie ich annahm, rannte er davon. Ich saß da, am Boden zerstört, zog mich mit tropfender Nase wieder an. Ich hatte Louis verloren, meinen besten Freund. Einen Augenblick später kam er zurück. Er streckte mir seine zu Fäusten geballten Hände entgegen.
    „Such dir eine aus“, sagte er, und ich wählte die linke. Er öffnete seine Hand, und darin lagen drei weiße, zarte Löwenzahnbüschel. „Drei Wünsche“, sagte er und öffnete seine andere Hand, um drei weitere Samen zu enthüllen, „für jeden von uns.“
    „Du zuerst“, sagte ich durch meine Tränen und endlich mit einem Lächeln auf den Lippen.
    „Dass die Cubs den Pokal gewinnen.“ Er grinste und ich lachte. „Dass ich Polizist werde.“ Dann wurde sein jugendliches Gesicht ernst. „Und dass du mich für immer liebst. Du bist dran“, sagte er schnell.
    Ich überlegte einen Moment. „Ich wünsche mir, in einem gelben Haus zu wohnen.“ Vorsichtig blinzelte ich zu Louis hinüber, um zu sehen, ob er lachte. Tat er nicht. „Einmal das Meer zu sehen“, fuhr ich fort. „Und …“, die Tränen kamen zurück, große, salzige Tränen, „… dass du mich für immer liebst.“
    Drei Jahre später war Louis aufs College gegangen, und ich habe Griff geheiratet. Verdammte Feen, denke ich nun. Ich lebe nicht in einem gelben Haus, ich war noch nie am Meer, und Louis hat mich nicht für immer geliebt. Und Calli, mein Herz, wird vermisst. Alles, was ich anfasse, geht verloren oder kaputt.

Deputy Sheriff Louis
    Wieder sitze ich an Tonis Küchentisch, ein beschlagenes Glas Eistee vor mir. Dieses Mal sitzt Agent Fitzgerald neben mir statt Martin. Ich fürchte, wenn das alles hier vorüber ist, wird Martin nie wieder mit mir sprechen. Und Toni vielleicht auch nicht. Ich spüre, dass Toni nicht so recht weiß, was sie von Fitzgeralds präzisen, unemotionalen Fragen halten soll. Sie überlegt, ob er wohl sie und ihre Eignung als Mutter beurteilt. Ich sehe, wie sie jede seiner Fragen innerlich von allen Seiten betrachtet, nach versteckten Bedeutungen sucht, nach verborgenen Fallen. Vermutlich, weil sie so an Griffs manipulative Art gewöhnt ist.
    Als ich Toni vor vier Jahren zusammengekrümmt auf der Couch vorgefunden habe, wo sie gerade ein totes Mädchen zur Welt gebracht hatte, dachte ich, dass sie endlich aufwachen und Griff verlassen würde. Sicher, ich weiß nicht genau, was in jener Winternacht passiert ist, nur dass

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