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Das Flüstern der Stille

Das Flüstern der Stille

Titel: Das Flüstern der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Senn Heather Gudenkauf
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habe.
    „Wie kommen wir an der Presse und den anderen Polizisten vorbei, ohne dass sie merken, was wir vorhaben?“, fragt Martin.
    „Ich weiß es nicht.“ Die gleiche Frage habe ich mir wieder und wieder gestellt. Obwohl es gut wäre, wenn sich so viele Leute wie möglich an der Suche nach Calli und Petra beteiligen, sagt mir der Gedanke nicht wirklich zu, von einem Kamerateam verfolgt zu werden. Außerdem frage ich mich, wie Calli reagieren würde, wenn eine Horde Fremde im Wald nach ihr sucht. Ich glaube, es würde sie verängstigen, sehr wahrscheinlich würde sie sich verstecken und es damit noch schwerer machen, sie zu finden.
    Vorhin hatte ich gedacht, ich würde diesen Tag nicht überleben. Hundert verschiedene Gefühle sind durch meinen Körper geschossen und haben mich erschöpft zurückgelassen. Aber jetzt geht der Tag dem Ende zu, und je weniger Tageslicht wir haben, desto schwieriger wird es, die Mädchen ausfindig zu machen. Ich wünschte, ich wäre schon vor Stunden aufgebrochen, und merke, wie ich böse auf Louis und Agent Fitzgerald werde, weil sie mir wertvolle Zeit gestohlen haben.
    „Er ist da“, sagt Martin, als er Louis durch einen Spalt in den Vorhängen entdeckt.
    Ich öffne die Tür, bevor er anklopfen kann, und lasse ihn eintreten.
    „Hi“, sage ich. „Danke fürs Kommen.“
    „Kein Problem. Martin klang sehr dringend.“ Louis schüttelt Martins Hand zur Begrüßung. Wer tut das heutzutage noch, frage ich mich. Es ist so formell. Vor allem in unserer Situation.
    „Wir wollen die Kinder suchen gehen“, informiert Martin ihn. „Ich weiß, dass das nicht Agent Fitzgeralds Plan entspricht, aber wir haben das Gefühl, es tun zu müssen.“
    Louis hört zu, ohne eine Reaktion zu zeigen.
    „In ein paar Stunden wird es dunkel sein, Louis“, werfe ich ein. „Ich ertrage die Vorstellung nicht, dass sie in der Nacht allein da draußen im Wald sind. Ich muss einfach nach ihnen suchen.“
    „Ich weiß, was du meinst. Und ich gebe dir ja auch recht. Ich denke nur, dass wir mit einer organisierten Suche morgen viel schneller und effektiver wären. Wir haben Suchhunde und so viele Leute, wie wir nur brauchen können.“
    „Das können wir doch immer noch tun, wenn es sein muss.“ Ungeduld schwingt in Martins Stimme mit. „Jetzt aber werden Antonia und ich uns auf die Suche machen, entweder mit dir oder ohne dich. Wir hoffen, dass du mit uns kommst oder uns wenigstens die Presse vom Hals hältst, wenn wir das Haus verlassen.“
    Martin und ich warten angespannt auf Louis’ Reaktion. Er hat den gleichen Gesichtsausdruck, den ich aus unserer Kindheit noch so gut kenne. Diese leichte Unentschiedenheit, wenn ich ihn zu etwas herausgefordert habe, bei dem er entweder Ärger bekommen oder sich wehtun würde. Am Ende hat Louis die Herausforderung immer angenommen.
    „Okay. Wo wollt ihr anfangen?“, fragt Louis mit einem Seufzen.
    Martin schaut mich an. „Ich kenne mich im Wald nicht aus. Ich fürchte, ich wüsste nicht, wo man anfangen soll.“
    „Ben hat gesagt, dass er bereits am Willow Wallow und den Orten am Rande des Waldes geschaut hat. Also gehen wir gleich tiefer hinein. Wie wäre es mit dem Old Schoolhouse Path und dann der Bobcat Trail? Vielleicht haben die Mädchen versucht, den Weg zur Schule zu finden, und sich dabei verlaufen“, schlage ich vor.
    Der Old Schoolhouse Path ist ein gewundener, zum Großteil überwachsener Pfad, den nur diejenigen finden, die sich im Wald gut auskennen. Ungefähr fünf Kilometer in den Wald hinein steht ein mindestens hundert Jahre altes Schulhaus mit nur einem Raum. Niemand weiß, warum jemand ausgerechnet diesen abgelegenen, schwierig zu erreichenden Ort für den Bau einer Schule gewählt hat. Die Leute, die schon länger am Wald wohnen, glauben, dass eine kleine Gruppe Siedler sich im Wald niedergelassen und dort auch die Schule gebaut hatte. Auf jeden Fall war es schwierig, einen Lehrer auf längere Zeit in so einer abgelegenen Gegend zu halten. Und daher waren die Leute nach und nach näher an den Ort herangezogen und haben das alte Gebäude aus Kalkstein und Eiche sich selbst überlassen. Die massive kleine Schule steht immer noch, ist aber inzwischen von Unkraut überwachsen. Die Fenster sind zerbrochen, und viele Waldtiere haben sich im Innern häuslich eingerichtet.
    Vor einigen Jahren habe ich Ben und Calli einmal mit dorthin genommen, und wir haben darüber gesprochen, das Schulhaus wieder instand zu setzen, vielleicht eine kleine

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