Das Flüstern der Stille
Gott, würde das auch ihr Fehler sein? Aus dem Augenwinkel sah sie einen strohfarbenen Klumpen inmitten braunspitziger Farne. Calli hielt abrupt inne. Der Hund. Der Hund, den sie vorhin gesehen hatte, als er vergnügt durch den Wald gestreunt war. Tot. Lag da wie ein Haufen Fell, seine lange, rosafarbene Zunge hing zwischen seinen spitzen Zähnen heraus. Das Halsband war ihm abgenommen worden. Calli hatte das ungute Gefühl, dass sie von etwas beobachtet wurde, und sie wandte sich von dem Hund ab und setzte ihren Weg den Berg hinab fort. Schneller, schneller, ohne den Weg vor sich nach Steinen oder Wurzeln abzusuchen, die sie zum Fallen bringen könnten. Ben hatte gesagt, sie solle nach unten gehen, um Hilfe zu finden, und das würde sie tun. Dieser Mann. Der Furcht einflößende Mann, der auch da oben war. Sein Hund. Ja, das war sein Hund. Daddy, dachte sie, Daddy, er war so böse mit ihr und würde es an Ben auslassen, das wusste sie, und vielleicht an Petra. Ben, Daddy, Petra, der Mann, Ben, Daddy, Petra, der Mann, Ben, Daddy, Petra, der Mann … Die Worte drehten sich in ihrem Kopf. Dann sah sie es endlich, das Ende des Wegs, wo die Bäume mit einem Mal aufhörten. Ben, Daddy Petra, der Mann, Ben, Daddy, Petra, der Mann. Sie rannte auf die Lichtung, sah etwas Unerwartetes, ihre Mutter, oh, ihre Mutter, und Deputy Louis und Petras Vater! Sie konnte aufhören zu rennen. Sie tat, was Ben ihr gesagt hatte: Hilfe holen. Ben, Daddy, Petra, der Mann, Ben, Daddy, Petra, der Mann, Ben, Daddy. An wen sollte sie sich wenden? Deputy Louis, ja, er würde sofort Hilfe holen, den Mann kriegen, Daddy kriegen. Sie war an der Seite des Deputys, die Arme ihrer Mutter nach ihr ausgestreckt … Ben, Daddy, Petra, der Mann, Ben, Daddy, Petra, der Mann, Ben, Daddy, Petra, der Mann …
„Ben!“ Der Name brach aus ihr heraus, es fühlte sich nicht wirklich an, als wenn er nicht aus ihrem Mund gekommen sei, sondern von irgendwo tief in ihr drin, gleich unterhalb ihres Brustbeins. Sie erkannte ihre eigene Stimme nicht wieder, sie klang so stark, so klar, und sie wollte mehr sagen … Ben, Daddy, Petra, der Mann, Ben, Daddy … Aber dann schlangen sich die Arme ihrer Mutter um sie, wiegten sie. Sie war so müde, so durstig, alle wurden jetzt hektisch, und sie verstummte wieder.
Martin
Calli hält immer noch Petras Kette, umringt von ihrer Mutter und Deputy Louis. Durch meine Tränen gehe ich zu ihr, um mir die Kette zu holen. Ben? Ben hat das getan? Ich konnte es nicht glauben, aber trotzdem war es mir durch den Kopf gegangen, als Fielda vor Stunden in ihrer Wut dieses Thema aufgebracht hatte. Ben? Ich versuche, die Kette aus Callis Fingern zu lösen, aber Louis tritt zwischen uns.
„Martin, lass ihr etwas Raum“, ordnet er an.
„Wo ist sie?“, krächze ich. Calli hat ihr Gesicht am Bauch ihrer Mutter vergraben; meine Hände zittern vor Verzweiflung.
„Martin“, sagt Louis sanft. „Wir werden sie finden. Ich rufe jetzt sofort Verstärkung.“
Ich sehe, dass Louis an Callis Hand herumfummelt, nicht die Hand, die die Kette hält, und etwas hervorzieht. Ich recke meinen Hals, um zu sehen, was es ist, kann es aber nicht. Er knüllt den Gegenstand in seiner Hand, sodass ich ihn nicht erkennen kann, und dann läuft er zu seinem Auto, um Hilfe zu holen.
„Calli, sag mir, geht es Petra gut?“, frage ich so beruhigend, wie ich kann. „Bist du direkt von ihr hierhergekommen? Bitte, sag es mir. Ist Ben mit ihr da oben? Hat Ben euch wehgetan?“
Antonia schaut mich mit einem sengenden Blick an und schirmt Calli von mir ab. Als wenn ich hier der Gefährliche wäre. „Hör zu, ich weiß nicht, was du denkst, aber Ben hat damit nichts zu tun …“ Louis eilt zu uns zurück, unterbricht Antonias verärgerte Antwort.
„Ich habe weitere Officer angefordert, die uns auf der Suche nach Petra und Ben helfen werden.“ Er hält inne und betrachtet Calli eingehend. „Und ich habe den Krankenwagen gerufen. Die Sanitäter werden Calli durchchecken und auch bereitstehen, falls Petra und Ben Hilfe brauchen“, teilt Louis uns mit. Er beugt sich zu Calli hinab. „Calli“, sagt er leise. „Geht es Petra gut?“ Er wartet auf eine Antwort von ihr. Langsam schüttelt sie den Kopf, und ich stöhne und laufe auf den Wald zu.
„Martin, warte! Wir brauchen mehr Informationen, bevor wir da raufgehen können! Es gibt drei Wege – wir müssen wissen, welchen wir nehmen sollen!“ Ich halte an und kehre aufgebracht zu ihnen zurück.
„Frag sie,
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