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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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hoch, was dank seiner Muskelkraft und so weiter nicht allzu schwer war. Die nächste Klammer war für mich schon schwieriger zu überwinden. Das scharfe Metall schnitt in meine Handschuhe, sodass mir sofort die Finger wehtaten. Trotzdem schaffte ich es, nicht den Halt zu verlieren und meine Eigenlast bis zur nächsten Klammer zu wuchten. Komischerweise taten mir vor allem die Knie und Ellenbogen weh, mit denen ich mich an dem Metallschuppen abstützte, während ich häufiger abrutschte und vor Schmerz zusammenzuckte als unbedingt nötig.
    Ein Jahrzehnt später zog ich mich endlich über die Dachkante. Das Metall bohrte sich schmerzhaft in meinen Brustkorb, als wollte es mir höhnisch zuraunen: Du bist ganz schön dämlich, was? Eine Minute lang blieb ich reglos liegen und staunte, wie unerwartet schwer die Kletterpartie gewesen war. Morgen früh würde ich dafür einen hohen Preis zahlen müssen. Wäre Garrett halbwegs Kavalier, hätte er mir angeboten, an meiner Stelle das Rohr zu erklimmen.
    »Alles okay mit Ihnen?«, flüsterte er ins Funkgerät.
    Ich wollte ihm antworten, doch meine Finger waren noch verkrampft vom angestrengten Festhalten, sodass ich unmöglich die kleine Taste an der Seite des Funkgeräts drücken konnte.
    »Davidson«, zischte er.
    Oh, um Himmels willen, also zwang ich meine Finger auseinander und fummelte das Funkgerät aus meiner Jackentasche. »Alles gut, Swopes. Ich suhle mich nur gerade in Selbstmitleid. Lassen Sie mir noch einen Moment Zeit, ja?«
    »Wir haben aber keine Zeit«, gab er zurück. »Die Türen gehen nämlich schon wieder auf.«
    Ich schenkte mir die Widerworte, rappelte mich auf und krabbelte zu den Oberlichtern, bei denen es sich um Gewächshausscheiben handelte, allerdings um alte, gesplitterte, sodass sich gleich mehrere Gucklöcher fanden. Um ins Innere des Lagerhauses spähen zu können, musste ich mich bäuchlings auf eine der Scheiben legen. Ein dünner Lichtstrahl drang durch ein Loch, über dem ich mich mit Schwabbelarmen links und rechts abstützte. Solange der Metallrahmen hielt, würde ich schon nicht durchs Dach krachen. Immerhin ein Vorteil.
    Als ich endlich durchsah, rollte der Lieferwagen gerade aus dem Lagerhaus. Zwei Männer packten Papier- und Aktenstapel von einem alten Schreibtisch in Kartons. Abgesehen von diesem Schreibtisch war das nicht eben kleine Lagerhaus erschreckend leer. Nicht mal eine Schokoriegelverpackung oder Zigarettenstummel lagen am Boden. Meine Befürchtung bestätigte sich. Wer immer das Lagerhaus benutzte, hatte es nach dem Treffen von Carlos Rivera und Barber sofort leer geräumt.
    Meine Arme zitterten immer noch, und ich bereute die Tacos und den extragroßen Becher Cola, die ich mir einverleibt hatte. Kalorienarm oder nicht, das Gewicht blieb dasselbe. Es war an der Zeit, das Hasenpanier zu ergreifen.
    Ich rutschte über den Metallrahmen und übte meine Rechtfertigungsrede vor Onkel Bob. Das Lagerhaus war verlassen. Ja, wie ich es vorhergesagt hatte. Ich weiß, dass ich recht hatte, aber – Also echt, Onkel Bob, hör auf, du machst mich ganz verlegen. Nein, wirklich, lass das. Ohne Scheiß .
    Es geschah in dem Moment, als ich mir mein widerstrebendes Erscheinen und meine Stegreifrede bei der Preisverleihung für die Rechthaberin des Jahres vorstellte, als mir eine Bewegung ins Auge fiel. Am Rand meines Blickfelds tauchte etwas auf, vielleicht eine Faust, auf die sofort ein stechender Schmerz im Kinn folgte, und als ich durch das Oberlicht fiel, war mein letzter Gedanke: Heilige Scheiße!

9
    Man weiß, man hat ADS, wenn … oh, guck mal, ein Huhn !
    – T-Shirt-Aufdruck
    Ich sah ihn zum ersten Mal kurz nach meiner Geburt. Sein Kapuzenmantel umwallte ihn majestätisch. Er blickte auf mich herab, als der Arzt die Nabelschnur durchtrennte. Ich wusste, dass er auf mich herabblickte, obwohl ich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Als die Krankenschwester mich säuberte, fasste er mich an, ohne dass ich seine Finger sehen konnte. Dann hauchte er meinen Namen, rauchig, tief, sanft, ohne dass ich seine Stimme hören konnte. Wahrscheinlich weil ich, eben in die Welt hinausgepresst, aus vollem Halse schrie.
    Nach diesem Tag sah ich ihn nur sehr selten und immer nur dann, wenn es echt unerfreulich zuging. Es war also nicht verwunderlich, dass ich ihn jetzt sah, schließlich war meine Lage ziemlich unerfreulich.
    Während ich durch das Oberlicht stürzte und der Zementboden mit Lichtgeschwindigkeit auf mich zuraste, war er zur Stelle und

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