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Das Fluestern des Todes

Das Fluestern des Todes

Titel: Das Fluestern des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Wignall
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ihm etwas bedeuteten. Als er mit dem Drink zurückkam, bedankte sie sich. »Ist das Ihre Tochter?«, fragte sie.
    Er schaute das Foto an. »Für wie alt hältst du mich denn?« Sie war sich nicht sicher. Er sah wirklich nicht so alt aus, aber da er über ihren Vater gesprochen hatte, war sie unbewusst davon ausgegangen, dass er ähnlich alt sei, auch wenn das offensichtlich nicht zutraf.
    »Wie alt sind Sie denn?«
    »Ich bin zweiundvierzig, und das hier ist eine alte Freundin. Jemand, den ich vor langer Zeit kannte. Ich weiß nicht mal, warum ich das Foto noch habe.«
    Sie schaute noch mal aufs Foto, dann wieder zu ihm – und beschloss, ihm ein wenig auf den Zahn zu fühlen.
    »Vielleicht, weil sie Ihnen noch immer etwas bedeutet?«
    »Vielleicht. Vielleicht kennst du mich aber auch nicht genug, um mich zu analysieren.«
    Sie ließ sich nicht beirren und nippte an ihrem Cognac, der in ihrem Mund stärker brannte, als sie es erwartet hatte. »Wie heißt sie denn?«
    »Madeleine«, sagte er und setzte sich.
    »Ein hübscher Name.«
    »Ja, und ich muss jedes Mal an Proust denken, wenn ich das Foto sehe.« Das war wohl ein Scherz, aber sie kapierte ihn nicht und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was daran lustig war.
    »Wie bitte?«
    »Nichts.« Er sah sie entschuldigend an. Vielleicht wurde ihm ja auch klar, dass der Scherz etwas mau war. »Sie war eine Französin, und das Foto wurde vor langer Zeit gemacht. Ich habe sie seit vierzehn Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Wow.« Sie war nicht wirklich überrascht, und doch schien es die passende Antwort.«Und jetzt leben Sie allein?«
    »Ja«, sagte er lachend.
    »Haben Sie denn Kinder?«
    »Du stellst viele Fragen.« Da war es wieder, das Visier, das er runterklappte, aber sie war vorwitzig genug, um nicht klein beizugeben.
    »Das tun Leute nun mal, wenn sie sich kennenlernen.«
    »Warum willst du mich kennenlernen?«
    Die Frage grenzte an eine Beleidigung, aber sie redete unverdrossen weiter. »Warum nicht? Lohnt es sich denn nicht, Sie kennenzulernen? Sie sind klug, Sie sind belesen – und Sie bringen die Bösewichte um.«
    Er lächelte still vor sich hin und schien in seinen Gedanken verloren. Der Raum wurde erneut von einem Blitz erleuchtet, doch der Donner folgte erst einige Sekunden später.
    »Der Sturm verzieht sich.«
    Sie schaute kurz zum Fenster, als gäbe es dort wirklich etwas zu sehen, wandte sich dann aber wieder Lucas zu. »Also – haben Sie Kinder?«
    Er wirkte leicht genervt. »Ich verstehe zwar nicht, warum das so wichtig ist, aber ja – ich habe eine Tochter, mit Madeleine. Ich habe sie aber nie gesehen.«
    »Wie traurig. Haben Sie denn überhaupt keinen Kontakt mehr?«
    »Nie. Sie wollte nicht mal mein Geld. Sie war vermögend, hätte aber wohl eher in der Gosse gelebt, als von mir Geld zu nehmen. Ich musste ihr versprechen, für immer aus ihrem Leben zu verschwinden und nie mehr Kontakt aufzunehmen.«
    »Und warum?«
    »Du willst es nicht verstehen, oder? Ich bin der Bösewicht. Madeleine hat das auch erst kapiert, als es schon zu spät war. Ich bin keine gute Gesellschaft, schon gar nicht für Kinder.«
    Sie fühlte sich nicht imstande, das Thema weiter zu verfolgen. Bisher hatte sie einen Bodyguard in ihm gesehen, einen Mann, der vielleicht mit der Unterwelt zu tun hatte, aber selbst kein Krimineller war, eine Person, die Unheil verhütet und es nicht selbst anrichtet. Andernfalls hätte ihn ihr Vater gar nicht erst engagiert – und ihr Vater kannte ihn ja offensichtlich gut genug.
    »Erzählen Sie mir, wie Sie meinen Vater kennengelernt haben.«
    Seine Laune schien sich umgehend zu bessern.
    »Windhoek, 1982, Windhoek in Namibia. Ich war damals ein arroganter Heißsporn, während Hatto einfach ein cooler Bursche war. Er fragte mich, ob ich ein paar Jobs für ihn erledigen wolle. Und das war’s schon. Wir wurden nie dicke Freunde, aber wir kamen bestens miteinander klar. Ich vertraute ihm.«
    Sie versuchte noch immer, sich ihren Vater als »coolen Burschen« vorzustellen – eine Beschreibung, die sie schon ein paarmal gehört hatte, von Simon, ihrer Mutter oder anderen Leuten, deren Meinung ihr wenig bedeutet hatte. Ben war irgendwie ein cooler Typ, also war ihr Vater vielleicht so cool wie Ben gewesen.
    Draußen blitzte es noch einmal, und der Raum wurde wieder hell erleuchtet, bevor sich die Dunkelheit wieder um die Lampe und die zwei Personen legte, die in ihrem Schein saßen. Sie zählte bis vier, bevor der Donner kam, und

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