Das Fluestern des Todes
Entscheidung aber ihr überlassen.
»Nur wenn du willst. Ich werd in den nächsten Tagen wohl ohnehin einige Dinge alleine regeln müssen.« Er nickte und schien erleichtert – was wiederum sie ärgerte.
»Okay, Chris, du weißt, wie du dich in unserer Abwesenheit zu verhalten hast.« Chris nickte betreten und schuldbewusst, weil er in diesem Punkt schon einmal beinahe alles vermasselt hatte.
Ella und Lucas gingen schweigend hinaus. »Ich hab das Gefühl, dass er bald Schluss macht.« sagte sie, als sie im Auto saßen.
»Nicht auszuschließen. Ihr seid beide jung, aber du wirst dazu gezwungen, über Nacht erwachsen zu werden, während er das vielleicht nicht will. Warum auch?« Seine Antwort überraschte sie – auch wenn sie insgeheim wohl gehofft hatte, dass er ihr etwas Positiveres sagen würde. »Oder hast du etwa erwartet, ich würde dir jetzt ein Happy End versprechen?«
»Nein«, sagte sie, doch ihr Protest war ein wenig zu vehement.
»Gut. Weil es ein Happy End nämlich nicht geben wird. Das Leben ist grausam – und jeder, der etwas anderes behauptet, fällt nur auf seine eigenen Lügen rein.«
»Sie täuschen sich.« Was Chris betraf, mochte er ja recht haben, aber sie wollte deshalb nicht gleich ihr ganzes Weltbild über Bord werfen. Sie wollte weiterhin glauben, dass ihr der Weg zur Normalität offenstand – zu einem Leben, wie sie es sich immer gewünscht hatte. »Ich verstehe ja, warum Sie so denken, aber die Mehrzahl der Menschen lebt durchaus glücklich und zufrieden – und wenn’s mal eine Tragödie gibt, dann rappeln sie sich wieder auf. Sie haben Freunde, sie haben Menschen, die sie lieben.«
Lucas schaute konzentriert auf die Straße. Es sah so aus, als arbeite sein Hirn an einer Antwort, doch wieder wartete sie vergeblich. Was bei ihr das unbefriedigende Gefühl hinterließ, er habe den Streit gewonnen. Sie war genervt und fand noch immer keine Antwort auf die Frage, ob seine zwischenmenschlichen Fähigkeiten nun tatsächlich hart gegen null tendierten – oder ob er so abgeklärt war, dass er mit ihren Gefühlen nur spielte.
Sie wechselte das Thema: »Wo fahren wir denn überhaupt hin?«
»Wir besuchen Max Caflisch. Er ist Anwalt und hat sich bereit erklärt, uns in seinem Büro zu empfangen.«
»Sie sagten, er sei ein Freund von Ihnen.«
»Nun, ›Bekanntschaft‹ klingt wohl etwas korinthenkackerisch, oder nicht?« Es war wieder einer seiner schrägen Scherze, aber diesmal grinste sie, ja musste sogar lauthals lachen. Lucas schaute irritiert zu ihr hinüber, weil er sich einfach nicht vorstellen konnte, dass jemand ihn witzig fand.
Sie erreichten ein kleines Städtchen, von dem sie vermutete, dass es der gleiche Ort war, den sie auf dem Hinweg passiert hatten, war sich aber nicht sicher. Alles hier atmete den Geist der Tradition – als würde das ganze Städtchen wie ein Uhrwerk funktionieren. Die Straßen waren kaum belebt.
Lucas parkte hinter einem anderen Wagen, und als er den Motor ausschaltete, stiegen zwei Leute aus – ein dunkelhaariger Mann mit Brille und ein Mädchen in Ellas Alter, anscheinend seine Tochter. Der Mann eilte zu ihrem Wagen und öffnete Ellas Tür. Als sie ausstieg, sagte er: »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Ella, auch wenn die Umstände weniger tragisch sein könnten. Ich heiße Max Caflisch.« Sie schüttelte seine Hand. »Und das ist meine Tochter Katharina. Sie wird uns als notarielle Zeugin zur Verfügung stehen.«
»Hallo.«
Ella schüttelte ihre Hand. »Es tut mir so leid, was mit Ihrer Familie passiert ist«, sagte das Mädchen.
»Ich danke Ihnen. Und vielen Dank auch, Mr. Caflisch, dass Sie uns an einem Sonntag empfangen.«
»Eine Selbstverständlichkeit. Also, dann gehen wir doch ins Büro.« Er öffnete eine Tür und führte sie die Treppe hinauf zu einem holzgetäfelten Empfangsraum und weiter zu seinem Büro.
Nachdem alle Platz genommen hatten, sagte er: »Auch wenn meine Kenntnisse Ihres Rechtssystems beschränkt sind, gehe ich davon aus, dass ein sauber formuliertes und notariell beglaubigtes Schreiben ausreichen sollte, um alle rechtlichen Kriterien zu erfüllen. Aber sobald Sie wieder zu Hause sind, sollten Sie sich mit der Angelegenheit noch einmal intensiver beschäftigen.«
»Natürlich.«
»Gut. Wen möchten Sie denn als Erben einsetzen?«
»Ich möchte alles meinem Onkel Simon Hatto vererben. Sollte er vor mir sterben, geht das Erbe zu gleichen Teilen an meine Neffen George und Harry Hatto.«
Er schob ihr ein
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