Das Fluestern des Todes
sie sich für absolut durchschnittlich und unauffällig gehalten – eine Studentin aus einer gehobenen Mittelklasse-Familie. Nun aber wurde ihr Eigentum konfisziert und die ganze Familie so behandelt, als seien sie Teil des organisierten Verbrechens – ein Gerücht, das inzwischen sogar die Medien erreicht hatte. Lucas hatte dies bestritten, und sie wollte ihm glauben – zumindest so lange, bis sie der Wahrheit auf den Grund gekommen war.
Die Polizisten, die für die Überwachung von Simons Haus zuständig waren, erwiesen sich als merklich freundlicher, allerdings hatte Lucy auch ihren ganzen Charme als Gastgeberin spielen lassen und versorgte sie mit Tee und Kuchen, während George und Harry ständig mit ihr spielen wollten. Als sie das Haus betraten, rasten die beiden Jungs gerade durch den Flur und riefen Ella von der Treppe aus zu. Lucy kam heraus, um sie zu begrüßen. »Ich wusste doch, dass ich deinen Namen gehört hatte. Wie geht es dir?«
»Halbwegs okay, denk ich mal. Es ist schon eine seltsame Erfahrung: Sie sind da – und doch sind sie es nicht.«
»Ich weiß.«
»Lucy, Ella und ich müssen über geschäftliche Dinge reden. Da es draußen so schön ist, sollten wir uns in den Garten setzen.«
»Natürlich«, sagte sie und schaute ihn an, als hätte er ihr gerade eine verschlüsselte Botschaft übermittelt. »Ich bringe euch was zu trinken. Vielleicht einen Gin Fizz – oder ist es dafür noch zu früh?«
»Hätte nichts dagegen«, sagte Ella. Sie mochte Lucy. Eigentlich war sie in der Stadt aufgewachsen, hatte dann aber die Vorzüge des kultivierten Landlebens schätzen gelernt – auch wenn diese Art von Lebensentwurf eigentlich seit fünfzig Jahren aus der Mode gekommen war.
Der tragische Vorfall hatte ihr Leben wohl ebenso durcheinandergewirbelt wie das aller anderen auch, nicht zuletzt weil er ihr plastisch vor Augen führte, wie schnell man alles wieder verlieren kann. Angesichts der Umstände schlug sie sich tapfer, aber Ella fragte sich, wie sie sich wohl fühlen würde, wenn keine Polizisten mehr da waren, um sie zu beschützen.
Simon führte sie über die großzügige Rasenfläche zu der Sitzgarnitur unter einer alten Eiche. Ella verlor keine Zeit mit Floskeln: »Du solltest mir klipp und klar sagen, um was für Geschäfte es sich handelt. Wenn ich mit der Polizei sprechen soll, die obendrein noch meinen Computer beschlagnahmt hat, muss ich einfach die Wahrheit wissen.«
»Natürlich.«
»Nein, warte, zwei Sachen vorab. Erstens: Bevor du mir die geschönte Version erzählst, vergiss nicht, dass ich inzwischen das Recht habe, eigene Erkundungen einzuziehen. Und zweitens: Über den Drogenschmuggel und Waffenhandel bin ich bereits im Bilde. Du brauchst es also nicht unter den Teppich zu kehren.«
Simon schien perplex: »Und woher hast du diese Informationen?«
»Von dem Typen, der mich in Italien beschützt hat. Er kannte Vater wohl von früher.«
»Wirklich? Erzähl mir mehr über ihn.«
Sie schüttelte ihren Kopf. »Nein, erzähl du mir erst was über unsere Geschäfte. Sind wir nun Kriminelle oder nicht?«
Er lachte und schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Schau her: Als er jung war, hatte Mark tatsächlich seine Finger im Drogenschmuggel, aber das liegt Ewigkeiten zurück. Genau wie der Waffenhandel – der übrigens völlig legal war. Es gab da vielleicht manchmal einige zweifelhafte Export-Lizenzen, aber überwiegend handelte es sich dabei um offizielle Regierungsprogramme.«
»Wenn das der Fall ist: Was glaubt die Polizei denn zu finden? Und warum wurden sie überhaupt umgebracht?«
»Das sind zwei Fragen. Ich vermute, dass die Morde auf einen Vorfall zurückgehen, der lange zurückliegt.« Es war die gleiche Vermutung, die Lucas geäußert hatte – was sie nur noch mehr beunruhigte. »Die Polizei ist schon seit den Achtzigern an Mark interessiert. Er wurde sowohl von den amerikanischen als auch den britischen Behörden wegen Geldwäsche unter die Lupe genommen. Und um ehrlich zu sein: Er war in diesem Geschäft involviert, aber sie konnten ihm nichts nachweisen. Und genau deswegen war dein Vater so erfolgreich: weil er ein schlauer Hund war. Seit Mitte, Ende der Achtziger ist das alles sowieso legal, aber es ist ein kompliziertes Firmengeflecht, das obendrein in Steueroasen …« Er hielt ein und schaute über den Rasen. Lucy kam mit einem Tablett und ihren Getränken.
»Lasst euch nicht stören«, rief sie vorsorglich schon von Weitem.
»Das weißt du sowieso
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