Das Fluestern des Todes
schon alles, Lucy. Beim Gedanken an einen kalten Drink hab ich wohl den Faden verloren.«
Sie lächelte und wandte sich zu Ella: »Ich würde ihm keine Getränke hinterhertragen, wenn du nicht hier wärst.«
»Danke«, sagte Ella und nahm eins der eisgekühlten Gläser.
Als Lucy wieder ging, fuhr Simon fort. »Wie gesagt: Man hat das Geschäft bewusst komplex gehalten und es überwiegend in Steueroasen angesiedelt, um Steuern zu sparen – aber nicht, um Steuern zu hinterziehen! Nichtsdestotrotz sind die Behörden natürlich aufmerksam geworden.«
»Das heißt also, dass mir da nichts peinlich sein muss.«
»In keinster Weise. Im Gegenteil. Du hast allen Grund, auf deinen Vater stolz zu sein. Ja, es gibt Grauzonen im Hatto-Imperium, aber wenn man die gängigen Geschäftspraktiken von Privatfirmen und Regierungsorganisationen zugrunde legt, sind wir mit Sicherheit keine Verbrecher.«
Sie nippte an ihrem Drink, der weniger erfrischend war, als sie erhofft hatte. »Und, bin ich nun reich?«
»Ja. Schwerreich sogar. Ich schätze mal, dass dein Vermögen über 200 Millionen Pfund beträgt.«
»Das kann doch nicht wahr sein!« Leute mit so viel Geld pflegten doch eigentlich einen anderen Lebensstil, als es ihre Familie getan hatte. »Das heißt, ich bin Multimillionärin?«
»Ella, allein das Haus macht dich zur Multimillionärin!« Ja, das Haus – wie sollte sie je dorthin zurückkehren können?
»Ich möchte das Haus so schnell wie möglich verkaufen.«
»Vielleicht ist es besser, nichts zu überstürzen. Nicht auszuschließen, dass du das zum Ende des Sommers schon anders siehst.«
»Nein, ich werde ganz bestimmt nie wieder dort wohnen wollen. Kannst du das für mich arrangieren? Die Einrichtung einlagern und das Haus zum Verkauf anbieten?« Er nickte zögerlich. »Und du hast wirklich nichts dagegen, wenn ich bis zum Ende des Sommers hierbleibe?«
»Natürlich nicht. Und du bist auch herzlich eingeladen, über Weihnachten mit uns in die Karibik zu kommen.« Sie lächelte, musste aber gleichzeitig daran denken, dass sie nun kein Weihnachtsfest mehr mit ihrer Familie verbringen würde. Und seltsamerweise musste sie auch wieder an Lucas denken. Sie fragte sich, wie er wohl Weihnachten verbrachte, dort in der Schweiz, allein in seinem Haus, das eigentlich mehr eine Bibliothek war.
»Gerne. Und zwischendurch werd ich wieder aufs College gehen. Das wird mir den nötigen Abstand geben, um eine Entscheidung über meinen künftigen Wohnsitz zu treffen.«
»Gut. Es ist eine weise Entscheidung, das College nicht sausen zu lassen. Wenn wir die Beerdigung erst einmal hinter uns haben, sollten wir uns bemühen, wieder ein normales Leben zu führen – und für jemanden, der zwanzig Jahre alt ist, bedeutet das nun mal, aufs College zu gehen. Alles andere kann warten. Ich kümmere mich um das Geschäft, bis du bereit bist, selbst die Zügel in die Hand zu nehmen.«
»Was nie der Fall sein wird! Dem Herrn sei Dank, dass es dich gibt, Simon. Ich wüsste nicht, was ich sonst getan hätte. Wahrscheinlich hätte ich alles verkauft.«
»Nein, hättest du nicht. Du bist zäher, als du es dir selbst eingestehen willst.« Er sah sich betont beiläufig um – so als würde es ihn nicht wundern, wenn sie abgehört würden. »Und dieser Bursche, der dich beschützt hat? Du hast ausgesagt, dass du nicht wüsstest, wer er war oder wie er hieß.«
»Er meinte, es würde die Situation für ihn erleichtern, wenn wir diese Version zu Protokoll gäben. Wir haben das auf dem Weg zum Konsulat so entschieden. Es war wohl das Mindeste, was wir für ihn tun konnten.«
Simon lehnte sich sichtlich interessiert im Stuhl zurück. »Das heißt also, dass du seine Identität kennst. Erzähl mir mehr.«
»Er heißt Stephen Lucas. Vater hat ihn engagiert, um uns zu beschützen.«
Simon wirkte belustigt, vielleicht aber auch leicht schockiert. »Stephen Lucas«, sagte er. »So nannte er sich also?«
»Nein, er nannte sich nur Lucas. Er war etwa in deinem Alter.«
»Erstaunlich. Ich dachte, er hätte sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Und er wäre als Bodyguard mit Sicherheit nicht meine erste Wahl gewesen.«
»Du kennst ihn?« »Nein, Gott behüte! Hab von ihm gehört. Zwielichtiger Typ. Hatte einen üblen Ruf als Mann fürs Grobe und Auftragskiller.« Sie musste unwillkürlich an den Augenblick denken, in dem Lucas wütend auf Chris losgegangen war, und stellte sich vor, wie leicht das in nackte Gewalt hätte ausarten können.
»Er hat
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