Das Fluestern des Todes
Eistee bitte«, sagte Lucas.
»Für mich auch«, sagte Ella.
Bruno stieß ein befreites Lachen aus. »Du hättest mich vorher anrufen sollen.«
»Ich glaube nicht, dass das ein cleverer Schachzug gewesen wäre. Meinst du nicht auch?«
»Möglicherweise nicht. Du bist seit zwei Jahren wie vom Erdboden verschwunden, und dann höre ich durch meine Quellen, dass du es wohl warst, der mir bei einem meiner Jobs in Italien in die Quere gekommen bist. Drei gute Leute.«
»So gut waren sie nun auch wieder nicht.«
Bruno zuckte die Schultern. »Mag sein. Zwei Albaner. Der junge Italiener war allerdings durchaus vielversprechend. Aber ich hatte nun mal mit einem Bodyguard gerechnet, nicht mit einem Lucas.«
Die unliebsame Erinnerung, dass der junge Italiener ihn tatsächlich fast ausgetrickst hätte, tauchte kurz in seinem Hinterkopf auf, trat aber umgehend hinter einer wichtigeren Erkenntnis zurück: dass Bruno mit einem Bodyguard gerechnet hatte.
»Du wusstest, dass sie einen Bodyguard haben würde?«
Bruno wirkte für einen Moment irritiert. »Natürlich nicht von Anfang an, aber irgendjemand musste die beiden Albaner ja ausgeschaltet haben. Ein paar Passanten würden das ja kaum schaffen.«
»Oh.« Lucas deutete auf Ella. »Das ist übrigens der Job, bei dem ich dir in die Quere kam.«
Bruno war sichtlich verwirrt. »Dann müssen Sie Ella Hatto sein. Sie sehen ganz anders aus als auf den Fotos. Hübscher. Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Er schüttelte ihre Hand, was Ella ziemlich unangenehm war. Lucas beschlich die dunkle Vorahnung, dass dies keine erquickliche Unterhaltung werden würde. »Und – tut mir leid, was mit Ihrer Familie passiert ist.«
»Sie haben ihre Ermordung doch angeordnet.« Ihre Stimme war fest und voller Empörung.
»Ich habe sie arrangiert. Das mag in Ihren Augen keinen Unterschied ausmachen, aber den gibt es. Und wie gesagt: Es tut mir leid.« Die Kellnerin brachte die Getränke – eine willkommene Ablenkung. Bruno hob sein Glas. »Aufs Geschäft«, sagte er zu Lucas.
»Auf meinen Ruhestand.«
Bruno lachte. »Das halte ich ja für ein Gerücht. Es ist wie bei den Soldaten: Altgediente Killer sterben nie, sie lösen sich einfach in Luft auf.«
»Wer gab den Auftrag, meine Familie umzubringen?«
Er schaute Ella an und quittierte die unliebsame Frage mit einem gedankenvollen Kopfnicken. »Ist das der Grund, warum ihr beiden hier seid?«
»Deshalb sind wir hier«, sagte Lucas. »Die Zeit ist gekommen, sich für alte Gefälligkeiten zu revanchieren.«
»Ich war mir gar nicht bewusst, dass ich in deiner Schuld stehe.« Bruno lächelte, fuhr aber dann fort: »Es lief komplett anonym ab. Das Geld kam von einem Nummernkonto. Aber ihr habt Glück: Die Nummer kam mir irgendwie vertraut vor. Da wurde ich neugierig und verglich sie mit meinen alten Unterlagen.«
»Und, wer war es?«
Lucas hatte die Frage gestellt, doch Bruno schaute Ella an, als er antwortete. »Der Auftrag, Ihre Familie zu töten – und Sie auch – kam aus London, von Larsen Grohl.«
»Kennen Sie ihn?«, fragte sie Lucas.
»Nicht ihn «, sagte Bruno, bevor Lucas antworten konnte. »Larsen Grohl ist eine Firma, die im Bereich der Unternehmenssicherheit tätig ist. Ich hatte bereits zweimal mit ihnen zusammengearbeitet, wobei es allerdings nicht um Auftragsmorde ging, sondern um Sicherheitspersonal im Osten. Der Mann, der mich in diesen beiden Fällen kontaktierte, hieß Cooper. Im Falle Hatto fielen natürlich keine Namen.«
»Dann ist es also ungewöhnlich, dass diese Firma einen Mordauftrag erteilt – selbst wenn sie es im Namen eines Kunden tut?«, fragte Lucas.
»Meiner Erfahrung nach schon. Sicher, sie könnten für verschiedene Jobs verschiedene Leute engagieren, aber warum heuern sie für so was gerade mich an? Nein, es ist nicht die Norm – und das, denke ich, sollte euch die Suche erleichtern.«
»Vielleicht«, sagte Lucas. »Ich brauche in jedem Fall die Kontonummer.«
»Ruf mich später an, aber bitte, Lucas: Häng es nicht an die große Glocke. Wenn es ein ganz normaler Auftrag gewesen wäre, könnte ich sie beim besten Willen nicht rausrücken – und ich hoffe, dass dir das auch bewusst ist.«
»Verstanden.« Er beobachtete das bunte Häufchen aus Touristen und Einheimischen, das auf dem Weg zum Thermalbad des Gellert-Hotels war. Sie trugen ihre Badetücher und Badetaschen in der Hand und waren völlig ahnungslos – Lucas war sich nicht sicher, ob er sie nun beneiden oder bedauern
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