Das Fluestern des Todes
um den Preis gefeilscht. Er hatte die Ermordung angeordnet – und folglich waren seine Hände genauso blutig wie die von Novakovic und demjenigen, der ihren Vater offensichtlich so gehasst hatte, dass er den Auftrag erteilt hatte.
Der Fahrer bog in die mit Bäumen begrünte Straße ein. »Nummer?«
»Ich werde gleich hier aussteigen.« Sie wusste die Nummer ohnehin nicht, wollte ihr endgültiges Ziel aber auch vor dem Fahrer geheim halten. Sie wartete, bis er wieder losgefahren war, bevor sie die Straße entlangging und sich in der Dunkelheit zu erinnern versuchte, wie es hier tagsüber ausgesehen hatte.
Das erste Gebäude, vor dem sie stehen blieb, schien vertraut, doch auf keiner der Klingeln konnte sie seinen Namen finden. Sie ging ein paar Häuser weiter, bis sie wieder an ein Gebäude kam, das zu ihrer Erinnerung zu passen schien. Diesmal hatte sie Glück.
Sie schaute in ihre Handtasche, um sich noch einmal zu vergewissern, dass sie die Pistole auch wirklich dabeihatte, spürte aber, wie sich ihr Magen beim Anblick der Waffe verkrampfte. Sie hob ihre bedenklich zitternde Hand und drückte auf die Klingel. Sie war sich nicht sicher, wovor sie mehr Angst hatte: ihn umzubringen – oder letztlich doch, nicht dazu in der Lage zu sein.
»Hallo?«
Sie trat näher an die Gegensprechanlage. »Mr. Brodsky, Ella Hatto hier.«
»Oberstes Stockwerk«, sagte er und betätigte den Türöffner. Sie ging die erste Treppe zu Fuß hinauf, entdeckte dann aber den alten Aufzug und fuhr nach oben. Er hatte die Tür einen Spalt breit für sie geöffnet. Sie klopfte und trat in einen kleinen, heillos überfüllten Flur. »Ich bin hier, Ella.«
Sie ging durch die Küche in einen großzügigen Wohnbereich. Die hohen Wände mit ihren cremefarbenen Stuckdecken gaben Aufschluss darüber, dass dies einmal ein hochherrschaftliches Domizil gewesen war. Die Fenster auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers standen offen und ließen eine abendliche Brise hinein.
Nur eine kleine Lampe brannte, dazu ein paar Kerzen, die im Luftzug bedrohlich flackerten. Brodsky saß auf einem von zwei modernen Sofas in der Ecke des Raumes. Eine Weinflasche und Gläser standen auf dem Kaffeetisch vor ihm, ein paar Sessel rundeten die Sitzgarnitur ab.
Sie stand hinter einem der Sessel, sah den Wein und die zwei Gläser und begriff, dass er Besuch erwartet hatte. Sie sah ihm direkt ins Gesicht, und er wirkte enttäuscht. »So schnell?«, sagte er. »Haben wir nicht einmal Zeit für eine kleine Unterhaltung?«
Zunächst verstand sie nicht, was er meinte. Ihr Hirn brauchte ein paar Sekunden, um die Information zu verarbeiten. Als sie durch die Küche gegangen war, hatte sie die Pistole aus der Tasche gezogen. Jetzt hatte sie sie direkt auf ihn gerichtet. Er lächelte und wollte noch etwas sagen, doch sie wollte nichts hören, wollte gar nicht erst in Versuchung kommen, ein menschliches Wesen in ihm zu sehen.
Sie hob die Waffe und zielte auf seine Brust. Trotz ihrer zitternden Hände bereitete sie sich auf den Knall vor und betätigte den Abzug. Nichts. Sie drückte erneut, spürte eine wachsende Panik und starrte die ganze Zeit auf seine Brust, nicht sein Gesicht.
»Ella, sie ist nicht geladen.« Sie hörte seine Worte, versuchte es aber noch einmal. »Ella, Lucas hat mich angerufen. Er sagte mir, dass Sie kommen würden und dass die Pistole nicht geladen sei.« Sie betrachtete die Waffe und wollte es nicht glauben. Hatte Lucas sie hintergangen? Sie trat ein paar Schritte zurück und suchte im Zimmer nach einem Gegenstand, mit dem sie sich verteidigen konnte. Doch Brodsky bewegte sich nicht, sondern schaute sie nur wohlwollend an. »Kommen Sie her und setzen Sie sich. Ich habe eine gute Flasche Wein aufgemacht. Trinken Sie ein Glas und erzählen Sie mir, warum Sie mich unbedingt umbringen wollen.«
Er schenkte zwei Gläser ein. Lucas hatte sie nicht hintergangen, sondern nur ihre eigene Lüge durchschaut und rechtzeitig eingegriffen. Offensichtlich hoffte er, dass sie die Dinge in einem anderen Licht sehen würde, wenn sie erst einmal mit Brodsky gesprochen und ein Glas Wein getrunken hatte.
»Sie haben meine Familie umgebracht.«
»Ja.« Er nickte. »Ich könnte jetzt Haarspalterei betreiben, aber es ist durchaus denkbar, dass sie ohne mich noch am Leben wären. Sie haben alles Recht, wütend auf mich zu sein. Bitte!« Er deutete auf die Sessel. Widerstrebend setzte sie sich, steckte die Pistole in die Handtasche zurück und nahm das Glas, das er
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