Das Flüstern des Windes (German Edition)
Ork, den sie gefangen hatten, würde auf dem Sklavenmarkt ein kleines Vermögen einbringen. Seine Familienmitglieder hatten bis zum letzten Atemzug verzweifelt versucht, ihn zu schützen, aber unter den Pfeilen der N’Guur hatten sie alle ihr Leben ausgehaucht.
Vielleicht waren ihm die Götter auf ihre seltsame Art doch wohlgesonnen und die bisherigen Schwierigkeiten waren nur ein Prüfstein seiner Treue gewesen. Innerlich flehte er sein Schicksal an, dass es so sein möge, denn wenn die Götter gegen ihn waren, konnte er sich gleich einen Dolch in die Kehle stoßen, das war immer noch gnädiger, als Turak Khan gegenüberzutreten.
Er schob alle negativen Gedanken beiseite und konzentrierte sich. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, als er nach unten starrte. Vom Hauptmast kam sein Ausguck heruntergeklettert. Lautlos auf den Ballen federnd stand der N’Guur plötzlich neben ihm.
»Wie viele Menschen, N’Go?«, wandte sich Fehir an ihn. Der Barbar hatte wesentlich schärfere Augen als er selbst und täuschte sich nie.
»Fünf, Onga!« Die N’Guur benutzten den respektvollen Titel Herr in ihrer Sprache, wenn sie den Kapitän ansprachen.
Fünf weitere Sklaven lohnten den Aufenthalt kaum, überlegte Fehir.
»Was für Menschen?«, fragte er.
Ein Grinsen überzog das mit weißen Kreisen bemalte Gesicht des Kriegers.
»Zwei Alte, ein Kind. Zwei kräftige Menschen. Mann, Frau. Mit Sonnenhaar.«
Nun lächelte auch der Kapitän. Ein junger Mann und eine junge Frau, besonders wenn sie blond waren, erzielten hohe Preise auf dem Sklavenmarkt. Turak Khan würde zufrieden sein. Vielleicht würde er den Mann sogar für sich selbst behalten.
Fehir hatte gehört, dass der letzte Geliebte seines Herrn in Ungnade gefallen und enthauptet worden war. Durch seine angestaute Lust war Turak Khan in den vergangenen zwei Wochen sehr gereizt gewesen. Wenn ihm Fehir nun einen ansprechenden Bettgefährten brachte, war es gut möglich, dass der reiche Händler ihm noch wohlgesonnener gegenüberstand.
»N’Go, sag deinen Leuten, sie sollen sich bereithalten. Wir gehen runter!«
»Ja, Onga!«
Der N’Guur hastete davon. In seiner kehligen Sprache, die Fehir nicht verstand, brüllte er seinen Gefährten Befehle zu, die daraufhin ihre Waffen zückten und zu den Taurollen stürmten.
Fehir gab dem Trommler ein Zeichen, den Schlag einzustellen. Ein kollektiver, erleichterter Seufzer der Sklaven an den Seilwinden der Flügel war die Antwort. Das Schiff trieb nun nur durch die Windkraft über die Ebene.
Fehir trat zum Hauptmast. Seine Hand packte das Seil, mit dem er das Ventil für die großen Gasballons öffnen konnte. Zischend entwich das Gas, und das Boot begann, langsam zu sinken. Er durfte keinesfalls zu viel Gas entströmen lassen, sonst würde das Schiff am Boden zerschellen. Genauso wichtig war es, darauf zu achten, dass jeder Ballon gleichviel Gas verlor, um ein Ungleichgewicht zu vermeiden, das ein Trudeln des Schiffes zu Folge haben würde.
Als der Späher nur noch wenige Meter vom Boden entfernt war, schloss der Kapitän das Ventil wieder. Schwebend hielt das Luftgefährt seine Position, lediglich der Wind, der sich in den großen Segeln fing, sorgte noch für Bewegung und für ein leichtes Trudeln.
N’Go wartete erst gar nicht auf weitere Befehle. Er und seine Gefährten warfen die Seile über Bord. Mit lautem Kampfgebrüll setzten sie geschickt über die Reling und hangelten aus dreißig Fuß Höhe herunter.
10.
Gram erkannt sofort, dass sich das Schiff im Sinkflug befand. Als die Taue zur Erde fielen, nahm er einen Pfeil aus dem Köcher und spannte den Langbogen.
Eine tiefe Ruhe hatte ihn erfasst. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Kampfgeschrei schwoll an, dann erschienen die Barbaren. Sein Auge visierte das erste Ziel, wie eine Schlange zischend verließ der Pfeil die Sehne, jagte dem Feind entgegen und bohrte sich tief in den Rücken eines N’Guur, der kreischend in die Tiefe stürzte.
Neben Gram war sein Vater zur Tatenlosigkeit verdammt. Die Familie besaß nur einen Bogen, und Gram war der weitaus bessere Schütze. Mit Befriedigung registrierte Djoran den Tod eines Feindes.
Schattengleich bewegten sich Grams Hände. Ein weiterer Pfeil erschien wie durch Zauberkraft auf der Sehne, der Bogen spannte sich und wieder starb einer der Kletterer, aber nun hatten die ersten N’Guur den Boden erreicht. Krummbeinig, ihre Äxte, Messer und Speere schwingend, stürmten sie den beiden Männern
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